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„KI als Lehrkraft?“ - Bericht Podiumsdiskussion

Am 19. Juni 2025 fand an der EUF eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion über Benotung und Feedback durch KI statt.

Die Veranstaltung stieß auf reges Interesse und brachte Vertreterinnen und Vertreter aus Bildungspolitik, Wissenschaft, Schulpraxis und Zivilgesellschaft zusammen, um über den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in schulischen Bewertungsprozessen zu diskutieren. Im Zentrum stand dabei die Frage, inwiefern KI künftig Lehrkräfte bei der Notengebung und dem Schülerfeedback unterstützen oder gar ersetzen kann – eine Thematik, die nicht nur technisch, sondern auch ethisch und gesellschaftlich weitreichende Implikationen mit sich bringt.

Technologie trifft Pädagogik – ein Balanceakt

Die Diskussion eröffnete mit einer persönlichen Einstiegsfrage an die Teilnehmenden, ob sie sich als Schüler ein Zeugnis mit KI-generierten Noten gewünscht hätten. Bereits in den ersten Minuten wurde deutlich, wie vielschichtig die Debatte ist: Zwischen Faszination über technologische Potenziale und Skepsis angesichts technisch bedingter Schwächen und fehlender Transparenz rangierten die Einschätzungen der Diskutierenden.

Ein zentrales Thema war die Frage nach den Grundanforderungen, die eine KI-Anwendung erfüllen müsse, um überhaupt sinnvoll in schulische Bewertungsprozesse eingebunden werden zu können. Hier wurden vor allem Aspekte wie Transparenz, Nachvollziehbarkeit und pädagogische Einbettung betont. Staatssekretär Tobias von der Heide verwies auf bestehende und in Entwicklung befindliche Leitlinien in Schleswig-Holstein, die Lehrkräften im Umgang mit KI Orientierung bieten sollen – besonders im sensiblen Bereich der Notengebung.

Zwischen Effizienzgewinn und pädagogischer Entfremdung

Die Diskussion beleuchtete gleichermaßen Potenziale und Herausforderungen KI-gestützter Systeme. Auf der einen Seite steht die Hoffnung, Lehrkräfte durch automatisierte Erstbewertungen oder standardisiertes Feedback zu entlasten. Auf der anderen Seite warnten mehrere Stimmen vor einer Entwertung professionellen pädagogischen Handelns. Die Maschine, so der Tenor, dürfe niemals zur alleinigen und unhinterfragten Bewertungsinstanz werden, womit das von Anbietern vorgebrachte Argument der Zeitersparnis entkräftet zu sein scheint.

Besonders kritisch wurde die sogenannte „Black Box“-Problematik diskutiert: KI-Modelle wie ChatGPT treffen Entscheidungen ausgehend hochkomplexer, oft intransparenter Berechnungen auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten. Auch dies sei laut Professor Rainer Mühlhoff der Grund für die teils hohe Volatilität in den Bewertungen Künstlicher Intelligenz. Wie kann in einem derart sensiblen Bereich wie der Leistungsbewertung gewährleistet werden, dass Entscheidungen nachvollziehbar und gerecht bleiben? Und wer trägt letztlich die Verantwortung – die Maschine, der Hersteller oder die Lehrkraft?

Gesellschaftliche Dimensionen: Zwischen Bildungsungleichheit und digitaler Chancengleichheit

Neben den pädagogischen und technischen Aspekten wurden auch gesellschaftliche Implikationen beleuchtet. Die Teilnehmenden thematisierten etwa die Gefahr, dass KI-Systeme bestehende Bildungsungleichheiten unbewusst reproduzieren – etwa durch verzerrte Trainingsdaten, die soziale Stereotype verstärken. In diesem Kontext wurde auch die Rolle internationaler Tech-Konzerne wie OpenAI kritisch hinterfragt: Ist es vertretbar, dass außereuropäische Unternehmen indirekt Einfluss auf ein so sensitives Feld wie die Notengebung in deutschen Schulen nehmen? Besorgnis äußerten auch die Eltern- und Schülervertreter*innen über mögliche Intransparenz und den Verlust menschlicher Einschätzung. 

Die Schule im KI-Zeitalter neu denken

Abschließend richtete sich der Blick auf die Grundstruktur des Schulsystems selbst. Sollte die klassische Schulnote im digitalen Zeitalter überhaupt fortbestehen? Oder ist es an der Zeit, die Leistungsbewertung grundlegend zu reformieren? Auch hier gingen die Meinungen auseinander. Während der Staatssekretär von der Heide für den Erhalt von Noten argumentierte, allerdings unter smarter Unterstützung durch KI, plädierte Professor Anand Pant für eine ganzheitliche Neubewertung schulischer Leistungskonzepte.

Die Podiumsdiskussion zeigte eindrucksvoll, wie vielschichtig das Thema KI in der Schule ist – und wie notwendig es ist, technische Innovation mit pädagogischem Feingefühl, rechtlicher Klarheit und ethischer Reflexion zu verbinden. KI als Lehrkraft? Noch ist es ein hypothetisches Szenario – doch die Diskussion an der Europa-Universität Flensburg machte deutlich: Die Zukunft der Bildung wird digital – und sie braucht einen klaren Kompass. Voraussetzung dafür ist jedoch eine breite gesellschaftliche Diskussion, wie sie an diesem Abend in Flensburg begonnen wurde.

Moderation

  • Prof. Dr. Jürgen Budde

Gäste auf dem Podium

  • Tobias von der Heide | Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
  • Prof. Dr. Rainer Mühlhoff | Professor für Ethik der KI | Universität Osnabrück
  • Prof. Dr. Hans Anand Pant | Abteilungsleiter IPN | Professor für Erziehungswissenschaftliche Methodenlehre | Humboldt-Universität zu Berlin
  • Rebecca Timmermann | Co-Founderin “Noten Copilot”
  • Claudia Pick | Vorsitzende des Landeselternbeirates Gymnasien SH
  • Eschel Johan Ewert | Landesschülersprecher für Gymnasien SH

Förderung

Organisator*innen