Le Château des Valkyries: Ein interdisziplinäres Projekt von Uni und Schule im Museum
Projektvorstellung
Im Frühjahrssemester 2024 beschäftigten sich Bachelor- und Masterstudierende des Fachbereichs Textil und Mode der Europa-Universität Flensburg intensiv mit der Ausstellung „Le Château des Valkyries“ („Schloss der Walküren“) der portugiesischen Künstlerin Joana Vasconcelos im Schloss Gottorf.
Die Werke von Joana Vasconcelos setzen sich intensiv mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft auseinander. Sie kritisieren gängige Schönheitsideale und traditionelle Geschlechterrollen und regen die Betrachtenden dazu an, bestehende Normen zu hinterfragen. Besonders durch ihre Darstellung von Walküren verweist sie auf bedeutende Frauen der Vergangenheit und Gegenwart und thematisiert Emanzipation und Feminismus. Vasconcelos’ Kunst lädt dazu ein, patriarchale Strukturen zu reflektieren und den Dialog über die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu vertiefen. Die Auseinandersetzung mit feministischen Themen in der Kunst ist ein zentrales Anliegen der aktuellen Kunstgeschichte (vgl. Nochlin 1971; Pollock 1999).
Unter der Leitung von Dr. Anna Sophie Müller und der Kulturvermittlerin Friederike Bill entwickelten die Studierenden daraufhin zwei außerschulische Bildungsangebote, die den Dialog zwischen Kunst, Wissenschaft und Öffentlichkeit fördern sollten. Der Ansatz, Kunst im Museum durch interaktive und forschende Lernmethoden zu vermitteln, entspricht den neuesten Erkenntnissen der Museumsdidaktik (vgl. Rüsen 2008; Knoche 2015).
Direkter Austausch mit der Künstlerin und ihrer KunstLabor
Blind Date – Kunst zum Anfassen und Erleben
Ein Höhepunkt des Projekts war die Möglichkeit, Joana Vasconcelos persönlich kennenzulernen. Die Studierenden nahmen an der Vernissage teil und besuchten einen eintägigen Workshop auf Schloss Gottorf, in dem sie intensiv mit der Künstlerin über ihre Werke, Materialien und Techniken diskutierten. Diese Begegnung bildete die Grundlage für weiterführende Recherchen und die eigenständige Konzeption der Museumsangebote. Die direkte Auseinandersetzung mit Künstlerinnen ist eine effektive Methode, um die Vermittlung von Kunst aus einer aktiven Perspektive zu gestalten, was von verschiedenen Kunstpädagoginnen und -wissenschaftler*innen als förderlich für ein tieferes Verständnis von Kunstwerken angesehen wird (vgl. Dewey 1934; Mälzer 2019).
Das Angebot der Masterstudierenden, ein zweistündiges „Blind Date“, richtete sich an ein erwachsenes Publikum jeden Alters. In entspannter Atmosphäre erklärten die Studierenden ausgewählte Kunstwerke der Ausstellung und luden die Teilnehmenden dazu ein, sich durch Austausch und haptische Auseinandersetzung mit Materialproben und Werkstücken intensiver mit den Kunstwerken auseinanderzusetzen. Zum Abschluss konnten die Besucher*innen eigene künstlerische Arbeiten mit verschiedenen Materialien und Techniken schaffen. Diese Form der aktiven Teilnahme entspricht den Prinzipien des erfahrungsbasierten Lernens, das als eine der effektivsten Methoden der Kunstvermittlung gilt (vgl. Kolb 1984; Pohl 2013).
Schnacken und Slayen – Ein kreativer Workshop für Schüler*innen
Unter dem Titel „Schnacken und Slayen“ organisierten die Bachelorstudierenden eine Projektwoche für die Schülerinnen und Schüler der Lornsenschule Schleswig. In der letzten Woche vor den Sommerferien erkundeten die Schüler*innen mithilfe eines Forschungshefts eigenständig die Ausstellung. Das forschende Lernen wurde durch vertiefende Gespräche mit den Studierenden unterstützt. Darüber hinaus erhielten die Kinder die Möglichkeit, verschiedene Materialien und Techniken der Kunstwerke kennenzulernen und in praktischen Workshops eigene „Walküren“ zu gestalten. Der Einsatz von forschendem Lernen in musealen Kontexten fördert nicht nur die kreative Auseinandersetzung mit Kunst, sondern auch die Entwicklung kritischer Denk- und Problemlösungsfähigkeiten (vgl. Haug 2015; Flemming 2017).
Ausblick
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projekts setzen die Europa-Universität Flensburg und das Landesmuseum Gottorf ihre Kooperation fort. Ziel ist es, weiterhin einen interdisziplinären Austausch zu fördern und neue Besuchergruppen für die Welt der Kunst zu begeistern. Diese Zusammenarbeit spiegelt die wachsende Bedeutung interdisziplinärer Partnerschaften zwischen Hochschulen und Kultureinrichtungen wider, um innovative Bildungsformate zu schaffen (vgl. Böhme 2016; Schrenk 2020).
Literatur
Böhme, Gernot. (2016). Ästhetik der Architektur: Über den Zusammenhang von Kunst, Kultur und Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Dewey, John. (1934). Art as Experience. New York: Minton, Balch & Company.
Flemming, Andrea. (2017). Forschendes Lernen im Museum: Theorie und Praxis der Museumsdidaktik. Berlin: De Gruyter.
Haug, Frigga. (2015). Lernen durch Forschen: Der Beitrag von musealen Bildungsangeboten zur kritischen Reflexion. Wiesbaden: Springer VS.
Knoche, Michael. (2015). Museen als Orte des Lernens: Grundlagen der Museumspädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.
Kolb, David A. (1984). Experiential Learning: Experience as the Source of Learning and Development. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall.
Mälzer, Wilhelm. (2019). Interaktive Kunstvermittlung: Konzepte und Ansätze. Heidelberg: Universitätsverlag Winter.
Nochlin, Linda. (1971). Why Have There Been No Great Women Artists? Art News, 69(9), 22–39.
Pollock, Griselda. (1999). Feminism and Art History: Questioning the Litany. London: Routledge.
Pohl, Alexander. (2013). Kunstvermittlung und kreative Praxis: Theorie und Praxis der Kunstpädagogik. München: UTB.
Rüsen, Jörn. (2008). Geschichtsdidaktik: Grundfragen und Problemlagen der Geschichtsvermittlung. Köln: Böhlau.
Sadowski, Thorsten (Hg.): Joana Vasconcelos. Le Château des Valkyries. Landesmuseen Schleswig-Holstein, Wienand Verlag 2024
Schrenk, Iris. (2020). Kooperationen zwischen Museen und Hochschulen: Ein Modell für interdisziplinäre Projekte. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag.