Fortbildung als Referenzperson für schulisches Handeln im Kontext sexuellen Kindesmissbrauchs
Im Jahr 2024 wurden in Deutschland rund 18.100 Kinder unter 14 Jahren Opfer von polizeilich erfasstem sexuellen Missbrauch. Das Dunkelfeld dürfte um ein Vielfaches größer sein. Kinder und Jugendliche verbringen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule, wo neben Bildungs- auch Erziehungsprozesse stattfinden und soziale Beziehungen sowohl zu Mitschüler:innen als auch zum pädagogischen Personal geknüpft werden. Mit dem Entstehen von Vertrauensbeziehungen zu Lehrkräften stellen diese auch potenzielle Ansprechpartner:innen für Schüler:innen dar, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind.
SCHUTZKONZEPTE IN SCHULEN
Nicht nur aufgrund ihres Erziehungsauftrags und ihres pädagogischen Ethos, sondern auch aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe zum Schutz des Kindeswohls (§4 KKG) sind Lehrkräfte verpflichtet, aktiv zu dessen Schutz beizutragen. Mittlerweile ist auch im Schleswig-Holsteinisches Schulgesetz (§ 4 Abs. 11) die Entwicklung eines Präventions- und Interventionskonzepts (kurz: Schutzkonzept) zum Schutz des Kindeswohls verpflichtend. Dies stellt Schulen vor eine anspruchsvolle Aufgabe.
LEHRKRÄFTE MIT AUFTRAG IM KINDERSCHUTZ
Die Zusatzausbildung zur Referenzperson wurde im Rahmen eines BMBFSFJ-geförderten Forschungsprojekts mit Fachkräften aus Schule, Kinderschutz und Strafverfolgung an der Europa-Universität Flensburg entwickelt. Ihr liegt die Idee zu Grunde, dass in jeder Schule ein bis zwei entsprechend fortgebildete Lehrkräfte/andere schulische Fachkräfte (als „Referenzperson“) tätig sein sollten, die über Expertise im Umgang mit Verdachtsfällen auf sexuelle Gewalt verfügen. Diese Referenzpersonen sollen die schulische Schutzkonzeptentwicklung gemeinsam mit einer Fachberatungsstelle und der Schulleitung unterstützen, Kontakte zum regionalen Netzwerk im Kinderschutz pflegen und über Expertise zu möglichen Handlungsschritten im Verdachtsfall auf sexuelle Gewalt und dem Einleiten einer Intervention im Kinderschutz verfügen.
NETZWERKE IM KINDERSCHUTZ UNTERSTÜTZEN SCHULEN UND LEHRKRÄFTE
Die Zusatzausbildung zur Referenzperson richtet sich an Studierende und Lehrkräfte aller Lehrämter und steht weiteren Fachkräften im Kinderschutz (bspw. Schulpsycholog:innen und Schulsozialarbeiter:innen) ebenfalls offen. Mittlerweile wurden 100 Fachkräfte, die Hälfte davon Lehramtsstudierende der EUF, zur Referenzperson ausgebildet. Um den Referenzpersonen Handlungssicherheit zu bieten, haben sie zum Ende der Ausbildung die Möglichkeit, sich mit Fachkräften im Kinderschutz aus der Region zu vernetzen. Dabei wird das Projektteam von einem regionalen Expertennetzwerk unterstützt. Folgende Institutionen unterstützen die Zusatzausbildung und stellen sich den Referenzpersonen vor:
- Pro Familia Flensburg (Wagemut, Löwenherz, Männerberatung, Childhood-Haus)
- Allgemeiner Sozialer Dienst Flensburg, Stadt Flensburg
- Beratung zum Kinderschutz, Fachbereich Jugend, Stadt Flensburg
- Zentralstelle Polizeiliche Prävention des Landespolizeiamts
- Anlaufstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen, Der Kinderschutzbund, Region Schleswig e. V.
- Betroffenennetzwerk Sexueller Missbrauch S-H BLINKFÜÜR
Um die Ausbildung weiterhin zu verbessern, begleitet das Projektteam einige der Referenzpersonen über ein Jahr hinweg bei der Schutzkonzeptentwicklung in ihren Schulen und überführt weitere Handlungsempfehlungen in die Ausbildung zur Referenzperson.
Im März 2026 besteht erneut die Möglichkeit, an der Zusatzausbildung teilzunehmen. Die Anmeldung über formix ist jetzt möglich. Die Veranstaltung finden Interessierte über die Veranstaltungsnummer EUL0423.
KONTAKT: Simone Pülschen