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Helfen, Selektieren, Fördern, Inkludieren – transdisziplinäre, regional- und wissensgeschichtliche Perspektiven auf Behinderung und Teilhabe im Schul- und Bildungssystem

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Helfen, Selektieren, Fördern, Inkludieren – transdisziplinäre, regional- und wissensgeschichtliche Perspektiven auf Behinderung und Teilhabe im Schul- und Bildungssystem

Tagungszeit: 06.-07. März 2025

Tagungsort: Flensburg

Im Rahmen gesellschaftlicher und pädagogischer Inklusionsinitiativen sowie politischer Reformbemühungen im Bildungssystem sind die Diskussionen um die Geschichte und Zukunft der Sonder- und Förderschulen wieder aufgenommen worden. Während diese Einrichtungen lange an den Rändern des Bildungssystems arbeiteten, in öffentlich-medialen Diskussionen lediglich eine marginale Rolle spielten und im Nationalsozialismus Teil des verbrecherischen Systems mit teilweise andauernden Kontinuitäten bis in die Bundesrepublik hinein waren, sind Förderschulen seit einiger Zeit vielfach in ‚inklusiven Schulen‘ aufgegangen (De-/Re-Institutionalisierung). Spätestens seit der Ratifizierung der UN-BRK im Jahr 2009 sind Inklusion und Teilhabe ‚in aller Munde‘. Mit den Struktur- und Prozessreformen der organisationalen Arrangements um ‚inklusive Bildung‘ ist auch ein Teil der Kinder und Jugendlichen z.B. mit gravierenden Lernschwierigkeiten und sozial-emotionalen Beeinträchtigungen, welche zuvor nahezu unsichtbar und marginalisiert waren, teilweise weiter in die Mitte des Bildungssystems und damit in diejenige der Gesellschaft gerückt. Diese wechselvolle Geschichte zwischen institutioneller Exklusion, Segregation, Integration und den Anstrengungen hin zu Inklusion hat schließlich dazu geführt, dass sich die historische, bildungs- und sozialwissenschaftliche Forschung diesem Themenfeld in den letzten Jahren verstärkt zugewandt hat.

Bislang wenig Aufmerksamkeit erhalten haben dabei insbesondere die Perspektiven behinderter Kinder, Jugendlicher und ihrer Familien, die jeweiligen institutionellen Eigenlogiken vor Ort bzw. in der Region, quartiersbezogene Effekte sowie interinstitutionelle Arrangements zwischen Schul- und Bildungssystem sowie Gesundheits- und Sozialsystem. In diesem Feld bewegt sich auch unser Tagungsanliegen. Der institutionelle Alltag, die jeweiligen Lebens- und Lernwelten beeinträchtigter bzw. als ‚behindert‘ gelabelter Kinder und Jugendlicher sowie der jeweilige institutionelle Umgang in den diversen Einrichtungen, die unter dem Signum der Sonderschulen geführt wurden, ist bisher ebenfalls nur unzureichend erforscht worden. Auch die auf institutionelle Gefüge blickende Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und die Betrachtung von möglichen personellen, verwaltungslogischen und konzeptionellen Kontinuitäten, die staatliche Zäsuren überdauerten, ist noch nicht überall und erschöpfend untersucht worden. Darüber hinaus sind Studien, die transnationale Entwicklungen und Transfers im Bereich der Anstaltsschulen, der Hilfs- und Sonderpädagogik und ihrer Schulen über das 19. oder 20. Jahrhundert zum Gegenstand haben, kaum vorhanden. Für die Bundesrepublik fehlen zudem regionale und lokale Vergleiche, welche die verschiedenen institutionellen Entwicklungspfade, -routinen und -verzögerungen im föderalen Schulsystem untersuchen, das stets regionalen Ausprägungen und Temporalitäten unterlag. Auch regionale Besonderheiten im zentralistischen Sonderschulsystem der DDR sind kaum erforscht worden.

Willkommen sind alle Beiträge, die sich mit Anstalts-, Sonder-, Hilfs- und Förderschulen und ihrer Pädagogik im Kontext von Behinderung und Teilhabe sowie den jeweiligen intersektional geprägten Alltags-, Lebens- und Lernwelten in transdisziplinärer, regional- und wissensgeschichtlicher Perspektive beschäftigen. Insbesondere den Erkenntnissen aus den Disability Studiesrespektive der Disability History soll dementsprechend große Aufmerksamkeit zuteilwerden. Von Interesse sind hier gerade auch lokale, regionale oder bundesweite Fallstudien, transnationale Vergleiche, Studien zur Bildungs-, Sozial-, Alltags-, Wissens-, Medizin- oder Bildgeschichte, Oral History, Interviewstudien usw. Dabei interessieren uns u.a. folgende Fragen:

-        Wie entwickelten sich lokale und regionale Bildungslandschaften und spezifische institutionelle Arrangements für Menschen mit Beeinträchtigungen und (sozial konstruierten) Behinderungen im 19. und 20. Jahrhundert im (trans-) nationalen Vergleich?

-        Welche Kinder und Jugendlichen waren überhaupt im Fokus von Hilfs-, Sonder- und Förderschulen zu den unterschiedlichen Zeiten in den unterschiedlichen Regionen? 

-        Wie reagierten Schulsystem und jeweilige Akteursgruppen vor Ort auf Veränderungen der politischen und bildungsbezogenen Systeme bzw. gesellschaftliche Diskurse?

-        Wie beeinflussten föderale Strukturen die Bildungslandschaft in den einzelnen Bundesländern? Welche internationalen Trends und Entwicklungen wurden vor Ort aufgenommen? Welche Formen des transnationalen Wissensaustausches gab es?

-        Wie gestaltete sich der Alltag der Akteur:innen in Schulen und Internaten, z.B. von gehörlosen Schüler:innen, welche Formen und Strategien der Selbstermächtigung finden sich dort seitens der Schüler:innen selbst sowie ihrer Familien?

-        Wie, wann und in welcher Form gab es Elternvertretungen und relevante Organisationen, z.B. von Selbstvertreter:innen? Und inwiefern beeinflussten diese die jeweilige pädagogische Praxis und Theorie?

Die Tagungssprache ist Deutsch, alle Abstracts werden den Teilnehmenden auf Deutsch und Englisch zur Verfügung gestellt. Der Call richtet sich an Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Fachdisziplinen ab Promotionsphase. Wir laden alle akademischen Positionen dazu ein, sich zu bewerben. Wenden Sie sich bei Fragen gerne an uns. Bitte teilen Sie uns mit der Einreichung ggf. Teilhabebedarfe mit (z.B. Schrift-, Gebärdensprachdolmetscher:innen), damit wir uns frühzeitig um die Organisation kümmern können.

Schicken Sie uns bitte bis zum 30.06.2024 ein Abstract zu Ihrem geplanten Beitrag von ca. 250 Worten, zuzüglich Kurzbiographie an die folgenden Mailadressen:

Prof. Dr. Karin Cudak / karin.cudak-TextEinschliesslichBindestricheBitteEntfernen-@hawk.de
Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK)

Dr. Jens Gründler / Jens.Gruendler-TextEinschliesslichBindestricheBitteEntfernen-@lwl.org
Institut für westfälische Regionalgeschichte (LWL)

Dr. Sebastian Lotto-Kusche / lotto-kusche-TextEinschliesslichBindestricheBitteEntfernen-@frzph.de
Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History der Europa-Universität Flensburg (frzph)

Die Übernahme der Reise- und Übernachtungskosten werden von den Veranstalter:innen angestrebt, ebenso eine Publikation der Tagungsbeiträge.