Flensburger Campusgespräche im Herbstsemester 2022
Zum Selbstverständnis der bundesrepublikanischen Pädagogik gehört es, sich zu einem "Nie wieder Krieg" zu bekennen. Aktuell sehen sich jedoch viele der in Europa eingeübten Sichtweisen auf Krieg und Frieden mit dem Vorwurf der Naivität konfrontiert und scheinen überholt. Zu fragen ist, was es gegenwärtig heißt, pädagogisch für Frieden zu arbeiten? Wie formieren sich Betroffenheiten von der Realität von Krieg neu? Welche Herausforderungen ergeben sich für Kinder, Jugendliche, Pädagog_innen und Bildungssysteme? Wie ist Pädagogik in den gesellschaftlichen Umgangs mit der Realität von Krieg involviert?
Vorträge:
Die Termine finden von 14:15 bis 15:45 Uhr, je nach Pandemielage im Gebäude HELSINKI, Raum 063 oder digital statt
Link zu den Vorträgen
organisiert von Prof. Dr. Marion Pollmanns, PD Dr. Thomas Wenzl, Dr. Sascha Kabel
Selbstimmunisierungstendenzen der qualitativ-rekonstruktiven Bildungsforschung
Ein wesentliches Merkmal des qualitativ-rekonstruktiven Forschungsprozesses ist – zumindest dem Anspruch nach – seine Offenheit. So zielt die qualitativ-rekonstruktive Forschung gegenüber einer hypothesenprüfenden Forschung bekanntlich darauf, erst am Material Theorien zu generieren, mithin "die Sache selbst" zum Sprechen zu bringen.
Gleichzeitig wird im methodologischen Diskurs der qualitativ-rekonstruktiven Forschung durchaus das Problem einer Verzerrung des Forschungsprozesses durch theoretische Bezüge und ggf. damit verbundener Normativitätsprobleme anerkannt und systematisch reflektiert (siehe bspw. ZQF 2/2019). Kaum jemand jedenfalls, der/die an die Fiktion eines theoretisch absolut voraussetzungslosen Forschens glauben würde.
Dieses Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch der qualitativ-rekonstruktiven Forschung, die Sache selbst zum Sprechen zu bringen, und der gleichzeitigen Gefahr, dass sich durch Forscher*innen in den Forschungsprozess Eingebrachtes in ihren Ergebnissen bestätigt, soll in den Campusgesprächen in den Blick genommen werden. Dabei geht es weniger um allgemeine theoretische Klärungen als um themenspezifische Beiträge, die exemplarisch herausarbeiten, wie sich Prämissen, theoretische Grundannahmen, normative Überzeugungen etc. (ungewollt) in den Befunden rekonstruktiver Bildungsforschung reproduzieren. Ohne den Anspruch, die Sache selbst zum Sprechen zu bringen, als hoffnungslos naives Ideal entlarven, oder die Annahme einer (normativen) Eigenlogik der Sache negieren zu wollen, soll problematisiert werden, dass "die Sache" der qualitativ-rekonstruktiven Forschung nicht automatisch und selbstverständlich als "Gegenstand" gegeben ist, der sich als wehrhaft gegenüber den Erkenntnisinteressen der Forschenden erweist.
Vorträge: