Transformative Kompetenzen

Unsere Poster-Aktion lädt ein, Bildung neu zu denken – nicht als reine Wissensvermittlung, sondern als Raum für Selbstreflexion, Perspektivwechsel und gemeinsames Gestalten. Jede Frage auf den Plakaten verweist auf eine sogenannte transformative Kompetenz – also eine Fähigkeit, die Menschen dabei unterstützt, in einer komplexen, unsicheren Welt handlungsfähig, mitfühlend und kreativ zu bleiben.

Die Fragen regen dazu an, nicht sofort nach Antworten zu suchen, sondern innezuhalten: Was wissen wir – und von wo aus wissen wir es? Was wäre, wenn Scheitern Teil des Lernens wäre? Oder Kontrolle gar kein Ziel?

Was sind transformative Kompetenzen?

Transformative Kompetenzen sind die zentralen Kompetenzen, die nötig sind, um gesellschaftliche Herausforderungen sozialer, ökologischer oder demokratischer Natur bewältigen zu können. Sie befähigen Menschen sich dieser Herausforderungen bewusst zu werden, visionäre Lösungen zu entwerfen und den Mut zu haben, Andere von diesen zu überzeugen.

Transformative Kompetenzen ermöglichen es, über bestehende Denk- und Handlungsmuster hinauszugehen. Sie stärken die Fähigkeit, mit Wandel, Mehrdeutigkeit und inneren wie äußeren Spannungen produktiv umzugehen.

Unsere Auswahl für die Poster basiert auf verschiedenen Quellen:

  • dem IDG Framework (Inner Development Goals),
  • theoretischen Arbeiten, insb. von Donna Haraway, Hartmut Rosa, Andreas Weber und Ursula K. Le Guin
  • Impulsen aus Kunst, Theater und Improvisation,
  • sowie Impulsen aus der politischen Bildung.

Diese Kompetenzen stehen im Fokus

Wir haben 13 Kompetenzen ausgewählt, die auf unseren Plakaten sichtbar werden:

„Heiter scheitern“ ist eines der wichtigsten Leitthemen des Improvisationstheaters. Impro ist gelebte Komfortzonenerweiterung bei der man mit neuen Rahmenbedingungen konfrontiert wird, für die eine Lösung gefunden werden muss, ohne auf bisherige Erfahrungen zurückgreifen zu können. Mut bedeutet im Impro nicht angstfrei zu sein, sondern es trotzdem zu wagen. Stell Dich dem möglichen Scheitern in spielerischer Form und erweitere damit Deine Wahlmöglichkeiten!

Transformative Bildung setzt auf fragebasiertes Lernen. Denn Fragen öffnen Räume – für Auseinandersetzung, für Perspektivenvielfalt und für das Anerkennen von Nicht-Wissen. Donna Haraways Theorie des „situated knowledge“ besagt grob: Wissen ist nie neutral oder „von nirgendwo“ – es ist immer verortet, verbunden mit Körpern, Erfahrungen, Narrativen. Nicht-Wissen bedeutet also nicht Leere, sondern die Anerkennung von Grenzen, Relationen und der Notwendigkeit, gemeinsam weiterzufragen.

Wir haben in unserer Gesellschaft einen Hang zum linearen denken und dem Denken in Dualismen (z.B. Mensch vs. Natur), der tief verankert ist. Wir müssen lernen, mit Widersprüchen und Unsicherheiten zu leben, ohne sie vorschnell auflösen zu wollen. Inspiriert vom systemischen Denken und Haraways Bild des Fadenspiels: Wir „denken“ und „handeln“ nicht allein, sondern sind immer Teil komplexer Beziehungsnetze, in denen Mitverantwortung und Mitsorge gefragt sind.

Ist die Komplexität der Herausforderungen einmal anerkannt, braucht es offene Lehr-Lernräume, die viel Freiheit für neue Denk- und Handlungsspielräume geben können sowie Instrumente, diese zu gestalten und zu erproben.

"Um bei gemeinsamen Anliegen voranzukommen, müssen wir unsere Fähigkeit entwickeln, Menschen mit unterschiedlichen Werten, Fähigkeiten und Ansichten einzubeziehen, ihnen Raum zu geben und mit ihnen zu kommunizieren." (IDG-Framework)

“Die Entwicklung und Vertiefung unserer Beziehung zu unseren Gedanken, Gefühlen und unserem Körper helfen uns, präsent, absichtsvoll und nicht reaktiv zu sein wenn wir mit Komplexität konfrontiert sind.” (IDG-Framework)

Dranbleiben, auch wenn Veränderungen Zeit brauchen. Beharrlichkeit zeigt sich nicht nur im Großen, sondern vor allem im Kleinen – in Gesprächen, im Alltag, in der Wiederholung einer klaren Haltung. Wer seine Werte konsequent einbringt, kann damit auch andere inspirieren.

Andere wirklich hören, ohne sofort zu bewerten oder alles auf sich selbst zu beziehen. In der systemischen Therapie etwa hilft die Übung der empathischen Brille, bewusst in die Perspektive eines anderen Menschen zu wechseln – um weniger reaktiv und dafür aufmerksamer, zugewandter zu sein: Es gibt laut Systemiker*innen immer einen für die jew. Person „guten Grund“, sich so zu verhalten, wie er*sie es tut – diesen zu begreifen muss nicht unbedingt bedeuten ihn gutzuheißen.

Die „Radikalen Töchter“ verbinden in ihren Workshops Politische Bildung und Aktionskunst – sie sagen: Unsere Welt braucht mehr Mut und eine neue Begeisterung für demokratische Werte und politisches Engagement. Wir dürfen lernen wie die eigene politische Wut als emotionale Kompetenz in Haltung, Mut und Aktion umgewandelt werden kann.

Sie werden in leistungsorientierten Bildungssystemen oft früh abtrainiert, sind aber entscheidend für kreatives Denken und echte Veränderung. Neugier bedeutet nicht nur, Fragen zu stellen – sondern auch, offen zu sein für Perspektiven, Erfahrungen und Weltzugänge, die nicht die eigenen sind.

Sich als Teil eines größeren Ganzen erleben: mit der Umwelt, anderen Lebewesen, der Welt, in der wir eingebettet sind. Haraway spricht von einem „Mit-Werden“ in Verflechtung“, das Verantwortung und Beziehung statt Abgrenzung betont. Auch Rosas Resonanztheorie betont die Wichtigkeit der eigenen „Welt-Beziehung“.

Es bedeutet, mit der Welt in Beziehung zu treten, ohne sie kontrollieren zu müssen. Inmitten von Komplexität und Unsicherheit ist Vertrauen eine Haltung, kein Zustand: Wie in der Improvisation entsteht Resonanz, wenn wir bereit sind, loszulassen – und wie Hartmut Rosa sagt, bleibt sie immer ein Geschenk. Die Philosophin Anne Dufourmantelle beschreibt Vertrauen als mutige Form des Lebens: ein Sich-Einlassen trotz Risiko – ohne Garantien.

Was (noch) nicht auf den Plakaten steht

Nicht alle relevanten Kompetenzen lassen sich leicht in Modelle fassen. Gerade Kunst und politische Bildung verweisen auf Fähigkeiten, die in klassischen Kompetenzrahmen oft fehlen – etwa der Umgang mit schwierigen Gefühlen.

Wie verwandeln wir Wut in Engagement? Wie geben wir Trauer, Scham oder Angst einen Platz, ohne sie zu verdrängen? Diese emotionalen Dimensionen sind Teil jeder echten Transformation – auch wenn sie sich schwer messen oder „trainieren“ lassen.

Unsere Aktion will auch darauf hinweisen: Bildung braucht Räume für das Ungewisse, das Unbequeme – und für das Gemeinsame.