Bild einer Frau, die sich Notizen macht
Bild einer Frau, die sich Notizen macht

„Inklusion ist die Akzeptanz und der Umgang mit menschlicher Vielfalt“

Volles Audimax beim Vortrag des Sozialaktivisten Raul Krauthausen

Das Flensburger Audimax war fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Studierende, Lehrende und Forschende waren gekommen, um Raul Krauthausen zu erleben. Der Berliner Aktivist und Medienmacher setzt sich seit Jahrzehnten für Barrierefreiheit und Inklusion ein. Er hat Kommunikation studiert und den Verein Sozialheld*innen gegründet, der sich für "Disability Mainstreaming" einsetzt. Krauthausen wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande. Er hat Glasknochen (Osteogenesis imperfecta), ist kleinwüchsig und sitzt im Rollstuhl.

Frei erzählt

Angekündigt war eine Lesung aus seinem aktuellen Buch: "Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden." Doch statt zu lesen, erzählte der Aktivist: "Freut euch, dass ich nicht lese, ich konnte meine Thesen aus dem Buch im letzten Jahr in der Diskussion mit vielen Menschen schärfen und pointierter formulieren."

Versteckte Kosten des Lebens mit einer Behinderung

Eine Stunde lang präsentierte Krauthausen gekonnt eine Mischung aus biografischen Lebensstationen, Alltagserlebnissen, gesellschaftlichen Beobachtungen und weiterführenden Gedanken zur Frage, was "Behinderung" eigentlich ist und wie die Gesellschaft damit umgeht.

"Behinderung ist ein Wechselspiel zwischen der eigenen Behinderung und der Umwelt", erklärte er und erzählte von folgender Durchsage im ohnehin verspäteten Zug nach Flensburg: "Wir haben noch eine Verspätung wegen eines Rollstuhls". "Wie fühle ich mich bei dieser Bloßstellung meiner Person?", fragte er daraufhin.

Natürlich habe er im Taxi einen "Rollstuhlzuschlag" zahlen müssen. "Jeder von uns behinderten Menschen zahlt auf die eine oder andere Weise mit Zeit und Geld für strukturelle Ungleichheiten", erklärte er. Für diese versteckten Kosten des Lebens mit einer Behinderung habe sich umgangssprachlich der Begriff "Krüppelsteuer"(Crip Tax) eingebürgert.

Krauthausen erzählte auch, wie ihm die Hochschule Ansbach den Bildungspreis 2023 verliehen habe und wie ein Hörsaal der Hochschule für ein Jahr nach Krauthausen benannt worden sei und wie der entsprechende Hörsaal nicht barrierefrei gewesen sei.

Es sei sehr heilsam, über solche Erlebnisse zu sprechen, betonte er.

Über das Leben behinderter Menschen entscheiden fast immer Nichtbehinderte

Unterhaltsam und humorvoll näherte sich Krauthausen "des Pudels Kern", wie er es nannte: "Über das Leben behinderter Menschen entscheiden fast immer Nichtbehinderte. Behindertenwerkstätten, Förderschulen etc. werden in der Regel von Nichtbehinderten geleitet", sagte er. Das müsse sich ändern. "Inklusion ist die Akzeptanz und der Umgang mit menschlicher Vielfalt", so Krauthausen. Diese Vielfalt müsse einbezogen, gefragt und gehört werden.

Mit stehenden Ovationen und langem Applaus wurde der Sozialaktivist nach seinem persönlichen Vortrag verabschiedet.

Vortrag im Rahmen des Aktionswoche Inklusion

Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Kirsten Diehl, Professorin für Inklusion und Heterogenität am Institut für Sonderpädagogik der EUF, moderiert und fand im Rahmen der Aktionswoche Inklusion statt. Die "Aktionswoche Inklusion" findet anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung vom 4. bis 8. Dezember 2023 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Europa-Universität Flensburg, der Muthesius Kunsthochschule und der Fachhochschule Kiel (FH) statt.

Aktionswoche Inklusion Programm