Zwischen Reflexion und Projektion:  "Zigeunerkunde" im Donau-Karpatenraum

Zusammenfassung

  1. Aufgrund der Vernetzung Heinrich von Wlislockis in der habsburgischen "Zigeunerkunde" und seiner Rezeption im "Dritten Reich" stellt eine Analyse seines Werks immer noch ein Desiderat der Forschung dar. Für die Forschungsgruppe ist von Wlislocki von Relevanz, weil er das Bild des "Wanderzigeuners" popularisierte.

  2. Im Hinblick auf den Donau-Karpaten-Raum wird von der Hypothese ausgegangen, dass die "Zigeunerfreunde" Kulturmuster kreierten, die auf einer Unterscheidung zwischen Zivilisation und Wildnis beruhten. "Transsilvanien" stellte eine Projektionsfläche dar, anhand derer im imperialen Zusammenhang zugleich Minderheitenfragen verhandelt wurden. Daher ist für die Forschungsgruppe auch die Topographie des Vielvölkerreichs von Interesse.

Forschungsfragen

Das Teilprojekt interessiert sich für die Mechanismen von Wissensproduktion und Wissenszirkulation. Es fragt nach emanzipatorischen und diffamatorischen Potenzialen der "Zigeunerkunde". Im Hinblick auf Stereotypen geraten nicht nur die Reaktion der Betroffenen, sondern auch die Rolle der Ethnologie und Anthropologie in Betracht.

  1. Wer zählte im Habsburgerreich zu den "Zigeunerfreunden?

  2. Wie positionierten sich siebenbürgische Gelehrte gegenüber der Magyarisierung?

  3. Warum spielte die Integration der Zigeuner in Untertanenverbände und Verwaltungsstrukturen des Habsburgerreichs in den Darstellungen nur eine Nebenrolle?

Die Faszination für die Zigeuner erklärt sich aus der doppelten Funktion als Grenzfigur und Projektionsfläche.

Kooperationen

mit anderen Projekten:

Teilprojekt 4 ergänzt sowohl die Analyse der Selbstrepräsentation von Rom*ni sowie Sint*izze in der Zwischenkriegspublizistik (Teilprojekt 5) als auch die Untersuchung populärer Fremdrepräsentationen(Teilprojekte 2 und 3). Bei der Auswertung von Druckgraphiken und Fotographien profitiert Teilprojekt 4 von der Zusammenarbeit mit Teilprojekt 1. Im Hinblick auf die Kriminalistik stellt die "Zigeunerkunde" im Habsburgerreich einen aufschlussreichen Vergleichsgegenstand für Teilprojekt 6 dar. Die Beforschung der ethnologisch inspirierten "Zigeunerkunde" trägt zum besseren Verständnis der Dynamiken von Achtung und Missachtung im

Tagung 1: "Wissenszirkulation und die Ästhetik des Spektakulären" in Gießen, verantwortet von den Teilprojekten 2 (von Hagen) und 4 (Bohn).

Untersuchungsräume

Kernuntersuchungsraum: Rumänien

Zusatzraum: Deutschland, Österreich, Rumänien, England, Frankreich, Ungarn

Ziele

ZIEL 1 –"Wanderzigeuner" entsprechen Projektionen von Eliten einer multikulturellen Gesellschaft im imperialen Zusammenhang.

ZIEL 2 – Die "Zigeunerfreunde" thematisieren nicht nur Zivilisation und Wildnis, sondern auch die Interessen ihrer nationalen Minderheit.

ZIEL 3 – Antiziganiszmus erwächst aus der Interaktion von Experten-Diskursen und staatlichen Ordnungsvorstellungen. 

Teilprojektverantwortliche

Prof. Dr. Thomas Bohn

Justus-Liebig Universität Gießen

Historisches Institut / Osteuropäische Geschichte

Weitere Informationen auf der Webseite der Universität