Forschendes Lernen in transnationaler Dimension

Projektrahmen

Die internationale Studienmobilität ist unter angehenden Lehrer_innen wenig verbreitet. Die vielfältigen Angebote eines Studienaufenthalts an einer ausländischen Universität werden nur wenig nachgefragt, so dass Internationalisierungsprozesse häufig außerhalb der universitären Lehrer_innenbildung stattfinden. Diese Diagnose trifft umso mehr auf die verpflichtenden schulischen Praktika zu, die meist an heimatnahen Schulen absolviert werden.

Das umfangreichste Praktikum während des Studiums an der Europa-Universität Flensburg (EUF) ist das Praxissemester im Master of Education. Den Rahmen des Praxissemesters bildet das Forschende Lernen, das heißt im Mittelpunkt steht die theoriegeleitete Auseinandersetzung mit dem individuellen fachlichen und pädagogischen Professionalisierungsprozess einerseits und den Gegebenheiten der Institution Schule andererseits. Die EUF fördert die internationale Mobilität angehender Lehrer_innen während des Praxissemesters, indem sie explizit ermöglicht, dieses an einer Schule im Ausland zu absolvieren. Die bisherigen Praktikant_innen an Auslandsschulen waren jedoch in der Vergangenheit weitgehend von der universitären Begleitveranstaltung isoliert, so dass deren Erfahrungen nicht in den kollektiven Lernprozess einfließen konnten.

Hier setzt das Teilprojekt Forschendes Lernen in transnationaler Dimension des Verbunds OLaD@SH – Offenes Lehramt digital in Schleswig-Holstein an, welches den dialogischen Erfahrungsaustausch aller Studierenden im Praxissemester an einem digitalen Ort, dem "Transcampus", ermöglichen soll. Das Projekt-Team hinterfragt dabei die technischen Möglichkeiten eines virtual place-making durch eine gesellschaftliche Perspektive in Bezug auf ein demokratisch-partizipatives Bildungsverständnis.

Ziele und Vorgehensweise

Ziel des Teilprojektes ist es, durch die didaktische Gestaltung der Praxissemesterbegleitveranstaltung im Fach Geographie das Verständnis von Internationalisierung (at home) abseits binärer Kategorien (Inlandserfahrung/Auslandserfahrung) neu zu verhandeln. Konzeptionell stehen dabei Fragen zu Bedingungen der Teilhabe an Internationalisierung sowie zur Gestaltung einer transnationalen Lehrer_innenbildung im Zentrum. Kernelemente des Teilprojektes sind die konzeptionelle Weiterentwicklung eines Modellmoduls Praxissemesterbegleitveranstaltung Geographie zum "Transcampus". Im "Transcampus" werden die vielfältigen Praktikums- und Lehrerfahrungen, die die Studierenden an Schulen in Schleswig-Holstein und jenseits der Landesgrenzen machen, an einem digitalen Ort zusammengeführt und gemeinsam reflektiert. Dies wird durch eine begleitende qualitative Forschung flankiert, die sich systematisch mit dem Erfahrungs- und Wissenstransfer von internationalen Schulerfahrungen in Gruppenlernprozessen auseinandersetzt.

Die Online-Lehrerfahrungen der vergangenen Semester unter den Bedingungen der COVID-Pandemie haben zudem grundlegendere Fragen der Grenzen digitaler Bildung und der Gestaltung von virtuellen Lern- und Begegnungsräumen in den Vordergrund gerückt. Die Einarbeitung in die technische Umsetzung wird entsprechend von einer raumtheoretischen humangeographischen Reflexion begleitet: Wie wird ein technisch-funktionaler digitaler Raum (space) zu einem emotionalen, sinnhaften digitalen Ort (place), in dem Erfahrungsaustausch und Lernanlässe ermöglicht werden, die dem Anspruch gelungener Bildungsprozesse genügen.

Auf Basis einer (digitalen) teilnehmenden Beobachtung, Dokumentation und Auswertung des bislang bestehenden Studienmoduls im Herbstsemester 2020/2021 werden im Sommer 2021 konkrete systematische Reflexionsimpulse ausgearbeitet, die dann im Herbstsemester 2021/2022 umgesetzt und anschließend evaluiert werden.

Projekt-Team

  • Prof. Dr. Holger Jahnke (Teilprojektleiter)
  • Christian Hanser (Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt OLaD@SH)
  • Dr. Johannes Bohle (Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Humangeographie und geographische Bildung sowie Modulverantwortlicher und Lehrender in der zu entwickelnden Praxissemesterbegleitveranstaltung)

Veröffentlichungen

  • Hanser, C., Jahnke, H. & Bohle, J. (in Vorbereitung; angenommen, geplantes Erscheinen Ende 2021): "They should want to be internationally mobile": From mobility prescriptions for to engagement with immobilised students in times of Covid-19. In: Student Engagement in Higher Education Journal.

Abstract: This article critically reflects on the ways how the global pandemic has influenced the setting-up phase of the ‘trans-campus’, a digital Internationalisation at Home (IaH) project in teacher education at Europa-Universität Flensburg (Germany). The difficulties related to Covid-19 travel restrictions have exposed the limitations of institution-driven internationalisation as the persuasive ‘recruitment’ of a minority of students to perform a cosmopolitan ideal of transnational mobilities and intercultural exposure. The global pandemic has inspired us to re-conceptualise IaH as a bottom-up scheme that shifts focus to the immobilised majority of students, taking its starting point in the valorisation of local engagements with domestic diversities.

Covid-19 has obliged many institutions to reduce or pause mobility schemes. Not being able to connect to exotic locations and celebrating prestigious partnerships inevitably highlights persistent limitations of top-down internationalisation efforts to meaningfully engage ‘stay-at-home’ students in intercultural and international learning (Harrison, 2015; Heffernan et al., 2018). Issues of participation and social justice inform our concern to revise a vertical model of minority mobilities and to reimagine intercultural student engagement as starting in students’ own definitions of ‘at-homeness’. Covid-19 has become a chance to pay closer attention to the often- overlooked anxieties and uncertainties of going abroad, affecting the majority of students in teacher education across Europe. A student-led perspective on domestic internationalisation implies to step out of our own comfort zones as globally educated staff and enable a non-prescriptive continuum between "the global citizen at home and the local citizen abroad" (Beelen at al., 2016, p.169).

Our emerging ‘trans-campus’ for multimodal experimentation beyond the Initial Teacher Education curriculum explicitly addresses the vast majority of non-mobile domestic students to form virtual communities of practice based on each student’s singular being in the world. Our own coping with the sudden reshuffling of internationalisation practices through the global pandemic has invited us to re-explore participatory campus environments through intersecting dimensions: not only as a technical question for digitalisation or as a geographical question around physical campus spaces, but also as existential engagement with students’ life worlds in times of uncertainty. Instead of ‘convincing’ students to go abroad, we are creating a scheme to listen to the students’ intrinsic motivations. This gradually allows us to shift the pre-pandemic institutional discourses around IaH towards a concrete platform for proximity and dialogue through which we address students as partners in the renegotiation of horizontal belongings, not as performers of exclusive mobilities.

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