Kalender des IIM

Kreolisierte Rechtstheorie - oder: Hams Erlösung


"Interdisziplinäres Kolloquium"

Deutsch
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Amadou Sow (Rechtswissenschaft, Bucerius Law School Hamburg) wird den Vortrag "Kreolisierte Rechtstheorie - oder: Hams Erlösung" halten.

Zum Vortrag:

"In Emanzipationsfragen nimmt das Recht eine merkwürdige Doppelstellung ein. Einerseits ist es das Werkzeug, mit dem Freiheit und Gleichheit erreicht werden kann. Andererseits rechtfertigt und verstetigt es einen oftmals manifest ungerechten Status quo. Im Spannungsfeld dieser zwei Seiten arbeitet der Vortrag ein Antirassismuskonzept aus, das Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe marginalisiert sind, sowohl Freiheit durch Recht als auch Freiheit vom Recht ermöglichen soll.

Dazu wird zunächst für das Ziel argumentiert, die Idee der "Rasse" vollends aus der Welt verschwinden zu lassen – auch als vermeintliche Identität. Zur Rechtfertigung des Ziels wird auf die Idee der "Kreolisierung" des frz. Philosophen É. Glissant zurückgegriffen. Die große Gefahr in Emanzipationsversuchen von "People of Colour", so die These, ist die Essentialisierung – also die Festsetzung eines Menschen auf eben jene Kategorie, von der er oder sie sich zu befreien sucht. Die Rassefixiertheit einiger moderner emanzipatorischer Ansätze gilt es demnach zurückzuweisen.

In einem zweiten Schritt werden die Konsequenzen der Konzeption für die Rechtstheorie untersucht. Gerade im Recht, so wird argumentiert, droht die Gefahr der Essentialisierung. Aufgrund ihrer Hautfarbe marginalisierte Rechtssubjekte finden sich in einem double bind wieder: Im Recht muss als Kategorie auftreten, wer sich grundlegend zu emanzipieren sucht. Außerhalb des Rechts muss als Individuum auftreten, wer sich grundlegend zu emanzipieren sucht. Ein Ausweg aus diesem Dilemma liegt, so die These des Vortrags, in der Adaption gerade jener Strukturen, die von Kritikern als unheilbar "weiß" abgewiesen werden – insbes. die europäische philosophische Tradition des Universalismus und, aufs Recht bezogen, die Rechtsdogmatik. Es wird argumentiert, dass die marginalisierenden Effekte dieser Tradition zwar anzuerkennen sind, ihr aber nicht inhärent sind.

Im dritten Schritt schließlich werden die Potentiale der kreolisierten Rechtstheorie für die Rechtspraxis anhand einiger Beispiele skizziert.

Dabei wird durchweg betont: Es gibt (wohl) keinen allgemeinen Horizont der Gerechtigkeit jenseits des Rechts. Wir sind for better or worse aufs Recht verwiesen, als dasjenige Medium, in dessen Grenzen unsere Forderungen nach Emanzipation und Gerechtigkeit formulierbar und durchsetzbar sind. Noch ist keine zur Bewältigung von Gerechtigkeitsproblemen besser geeignete Form in Sicht. Schier endlos Belange ans Recht heranzutragen, sie zu prüfen, ihr Zusammenbrechen zu verarbeiten und wieder neue Belange heranzutragen: immerfort instabile Stabilität, permanente Spannung, fortdauernde Bewegung, das ist unser Los.

Doch sollte uns nicht zur Verzweiflung treiben. Im Gegenteil: Optimistisch stimmen sollte uns die Einsicht, dass der emanzipatorische Gehalt der liberalen Rechtsform noch lange nicht ausgeschöpft ist."

Die Veranstaltung findet hybrid vor Ort statt.

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen!

In diesem Semester findet das Interdisziplinäre Kolloquium online statt und widmet sich dem Thema: Zur Gegenwart von Kolonialität.

Das vollständige Programm und weitere Informationen finden Sie auf der Website zum Interdisziplinären Kolloquium.

Veranstaltungsort

Name
"Interdisziplinäres Kolloquium"
Adresse
Hybrid-Veranstaltung
Online über den u.s. Meeting-Link beitreten.

Vor Ort: Gebäude Helsinki, Raum HEL 166
Homepage
https://uni-flensburg.webex.com/uni-flensburg-de/j.php?MTID=m1f05ca3e01d5b5976a1be32cfc36c806