Didaktik und Eigensinn. Zu Alexander Kluges Praxis und Theorie der Vermittlung

Didaktik ist in doppelter Hinsicht kritikwürdig: Sie scheitert praktisch, weil es mit ihr im Unterricht nur unzureichend gelingt, die Lern- und Bildungsprozesse der SchülerInnen zu befördern. Und als Theorie ist Didaktik kritikwürdig, weil sie sich der Notwendigkeit ihres praktischen Scheiterns nicht systematisch annimmt, sondern immer neue Methoden für das vermeintliche Gelingen bereitstellt. Angesichts dieses Scheiterns didaktischer Praxis und dessen ungenügender Reflexion lässt sich von Alexander Kluge lernen.

Kurzübersicht

Stichworte
Alexander Kluge, Unterricht, Theorie der Vermittlung
Laufzeit
01.01.1999 - 31.12.2004
Institution der EUF
Abteilung Schulpädagogik

Beschreibung

Didaktik ist in doppelter Hinsicht kritikwürdig: Sie scheitert praktisch, weil es mit ihr im Unterricht nur unzureichend gelingt, die Lern- und Bildungsprozesse der SchülerInnen zu befördern. Und als Theorie ist Didaktik kritikwürdig, weil sie sich der Notwendigkeit ihres praktischen Scheiterns nicht systematisch annimmt, sondern immer neue Methoden für das vermeintliche Gelingen bereitstellt. Angesichts dieses Scheiterns didaktischer Praxis und dessen ungenügender Reflexion lässt sich von Alexander Kluge lernen.

Denn seine Vermittlungspraxen als Filmemacher und Autor gelingen, weil ihre "Didaktik" die Unverfügbarkeit derjenigen wahrt, denen etwas vermittelt werden soll: Kluge unterlässt es, die Vermittlung gemäß einer notwendig bloß unterstellten Aneignungslogik zu didaktisieren und bewahrt so die Adressaten seiner Fernsehsendungen und Texte davor, "Schüler" werden zu müssen; zugleich bewahrt er sich davor, Aneignungsprozesse prognostizieren, planen und anleiten zu müssen, also den Zuschauenden bzw. Lesenden vermeintlich bei dem zu helfen, über das er als "Lehrer" gar nicht verfügt.

Entsprechend fordert Kluge in seiner Theorie der Vermittlung, der "Eigensinn" der Rezipienten, der die individuelle Lebendigkeit ihrer Aneignungsweisen ausmache, dürfe vom Filmemacher bzw. Autor nicht überformt werden. Indem Kluge jedoch eine Allianz mit dem Eigensinn anstrebt und zugleich eine Methode entwickelt, wie diese Allianz herzustellen sei, holt er die Unverfügbarkeit der Eigensinne didaktisch ein.

In meiner Rekonstruktion zeige ich, wie sich Kluges Theorie der Vermittlung im Widerspruch zwischen dem Didaktischen und dem Eigensinn verfängt und somit der scheiternden Positivität didaktischer Theorie nicht entkommt. Seiner Vermittlungspraxis jedoch sind Hinweise darauf zu entnehmen, wie es praktisch möglich ist, das Uneinholbare zu wahren: zu vermitteln, ohne zu lehren.

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