ViContact - Erstgespräche bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch – Professionalisierung von Lehramtsstudierenden durch Übung in virtuellen Szenen

Kinder und Jugendliche verbringen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule, wo neben Bildungs- auch Erziehungsprozesse stattfinden und soziale Beziehungen sowohl zu Mitschülern als auch zum pädagogischen Personal geknüpft werden. Mit dem Entstehen von Vertrauensbeziehungen zu Lehrkräften stellen diese auch potentielle Ansprechpartner für Schülerinnen und Schüler dar, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Zudem können bei Lehrpersonen im Umgang mit ihren Schülern auch Verdachtsmomente auf sexuellen Missbrauch auftreten, die Anlass für Gespräche im pädagogischen Alltag sein können. Nicht nur auf Grund ihres Erziehungsauftrags und ihres pädagogischen Ethos, sondern auch auf Grund einer gesetzlichen Vorgabe zum Schutz des Kindeswohls (§4 KKG) sind Lehrkräfte verpflichtet, aktiv zu dessen Schutz beizutragen.

Kurzübersicht

Stichworte
ViContact, sexuell, Missbrauch, virtuell
Laufzeit
01.04.2018 - 30.06.2021
Institutionen der EUF
Zentrum für Bildungs-, Unterrichts-, Schul- und Sozialisationsforschung (ZeBUSS), Abteilung Sonderpädagogische Psychologie

Beschreibung

Das Ziel des geplanten Forschungsvorhabens ist es, angehende Lehrkräfte in einem Training auf diesen Erstkontakt vorzubereiten, ihnen relevantes Wissen, vor allem aber Handlungsmöglichkeiten zu vermitteln, sodass sie nicht wegschauen, schweigen oder irreversible Schäden anrichten. Neben der Vermittlung von Wissensbeständen bspw. zu Risiko- und Schutzfaktoren oder zu rechtlichen Grundlagen (Psychoedukation) soll der Schwerpunkt des zu konzipierenden Trainings auf den Erstgesprächen mit potentiell von sexuellem Missbrauch Betroffenen liegen, indem neben handlungsrelevantem Wissen auch konkrete feedbackgestützte Übungsmöglichkeiten unter Einsatz von virtuellen Realitäten (VR) angeboten werden. Dabei geht es um das Aufgreifen von Gesprächsangeboten, um die angemessene Gesprächsführung, die korrekte anschließende Gesprächsdokumentation und um das Einleiten von konkreten Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls. Angehende Lehrkräfte können so erstmals handelnd in Situationen lernen, die im Schulalltag nicht häufig geübt werden können, aber zum Schutz des Kindeswohls im Ernstfall unaufgeregt und mit großer Handlungssicherheit gemeistert werden müssen.

Im Flensburger Teilvorhaben wird das zu konzipierende Trainingsprogramm in Zusammenarbeit mit den Verbundpartnern in Berlin und Göttingen unter Einbezug eines Fachbeirates erstellt und mit ca. 200 Lehramtsstudierenden durchgeführt und evaluiert werden. Die entwickelten und evaluierten Materialien werden für die Weiterentwicklung und die Nutzung durch Fachkräfte zur Verfügung gestellt. Das Projekt will damit einen Beitrag zur Professionalisierung von Lehrkräften für dieses Fachgebiet leisten.

Das Projekt ist Teil eines Verbundvorhabens mit Prof. Dr. Renate Volbert (Psychologische Hochschule Berlin) und Prof. Dr. Jürgen L. Müller (Georg August Universität Göttingen, Schwerpunktprofessur für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie), die Verbundleitung liegt bei Dr. Simone Pülschen.

Im Flensburger Teilprojekt besteht eine Kooperation mit dem Beratungszentrum des Studentenwerks Schleswig-Holstein und dem Fachbereich Polizei der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleitung Altenholz.

Lehrmaterialien

Während der Projektlaufzeit wurde ein Leitfaden zur Gesprächsführung mit Kindern bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch entwickelt, der in Form eines Trainingsmanuals mit Zusatzmaterialien (Foliensatz, Arbeitsblätter) vorliegt. Dieses Training in Seminarform richtet sich an Lehramtsstudierende aller Lehrämter und wird an der EUF gerade mit Lehramtsstudierenden evaluiert. Anliegen des Training ist es, auf das Führen von Gesprächen mit Kindern im Verdachtsfall eines sexuellen Missbrauchs vorzubereiten und spezifische Aspekte der Gesprächsführung zu vermitteln. So können Fehler vermieden und Unsicherheiten im Umgang mit diesem schwierigen Thema abgebaut werden. Die Empfehlungen des Trainings basieren auf aktuellen pädagogischen, psychologischen sowie entwicklungspsychologischen Erkenntnissen und wurden speziell für den Einsatz in der universitären Lehrerausbildung entwickelt.

Geeignet für die Durchführung des Trainings sind Personen, die sich im Rahmen ihrer fachlichen Qualifikation mit Fragen des Kinderschutzes im schulischen Kontext und mit Gesprächsführungstechniken in Fällen sexuellen Missbrauchs auseinandergesetzt haben und bestenfalls über berufliche Erfahrungen auf diesen Gebieten verfügen.

Bei Interesse an den Materialien wenden Sie sich bitte direkt an die Projektleitung, Frau Prof. Dr. Simone Pülschen.

Folgeprojekte

Im Folgeprojekt ViContact 2.0 wird die Entwicklung und Evaluation des ViContact-Trainings fortgesetzt. Die zweite Projektphase dient dazu, das Training zu einem an beliebigen Standorten einsetzbaren Angebot inhaltlich und technisch weiterzuentwickeln und das Trainingsprogramm auf die spezifischen Bedürfnisse weiterer Zielgruppen, die Erstgespräche mit Kindern bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt durchführen, zu adaptieren und zu erproben.

Ein weiteres Trainingsangebot für Lehramtsstudierende, Lehrkräfte und Fachkräfte aus dem Bereich Kinderschutz wird im Rahmen der BMBF-geförderten Nachwuchsforschungsgruppe RP SKM entwickelt.

Verantwortlich

Projektmitarbeitende

Finanzierung

Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).