Performance im geschützten und im öffentlichen Raum

Ein Text von Antje Lepthien (Studentin im theaterpädagogischen Zertifikat)

Im Rahmen des Seminars "Performance im geschützten und im öffentlichen Raum" entstand eine Performance im Rummelgang von Flensburg. Der Rummelgang ist ein Weg, der ursprünglich von Hausgärten genutzt wurde. Heute ist er ein grüner Naturpfand inmitten der Stadt Flensburg und wird als Erholungs- und Erlebnisraum von der Bevölkerung genutzt. Leider kennen viel zu wenige den Weg und wissen, wie lang dieser sich streckt (von der Toosbüystraße bis zu Duborger Straße). Um auf diesen schönen Ort aufmerksam zu machen, veranstaltete das Seminar hier am 3. und 4. Juni 2022 eine Performance im Rahmen des Programms "Operation Stad(t)räume" (eine Kooperation mit dem Open Space Flensburg). Die Studierenden des Seminars wählten zwei Orte, an denen eine Interaktion stattfand. Der genaue Ablauf wurde nur grob geplant. Es ging darum, den Flow der Performance zu finden und diesem zu verweilen und zu agieren.

Die erste Performance fand bei dem Treppenaufstieg, hinter dem Torbogen der Duborger Straße statt. Eine der Darstellerinnen stand auf einer Erhöhung. Als die Zuschauer_innen näherkamen, warf die Studierende langsam Blätter hinunter und beobachtete den unregelmäßigen Fall jedes Blattes, bis es den Boden berührte. Die Betrachter_innen, die aus dem Geschehen der Stadt kamen, wurden von fallenden Blättern in das performative Spiel einbezogen. Hatte die erste Performancekünstlerin die Performance abgeschlossen, fing eine weitere Studierende oben auf der Treppe mit ihrer Performance an. Diese rollte ein langes Stück grünen Stoff aus und bedeckte damit die Treppe. Sie stieg den Stoff auf den Treppen hinunter wie eine Königin. Die vorherige Studierende stieg mit in die Interaktion mit der Performerin und dem Stoff ein. Beide ließen den Stoff in Wellenformen auf und ab schwingen, sodass den Betrachter_innen ein Lichterspiel von Licht und Schatten der Blätter in den Bäumen auf dem Stoff gezeigt wurde. Während dem Spiel mit dem Stoff änderte sich die Performance in ein Kräftemessen mit dem Stoff und miteinander. Die Performerinnen, stehend auf der Treppe, zogen am Stoff. Die Darstellerinnen zogen am Stoff, bis dieser auseinanderriss und sie auf den Boden fielen. Daraufhin gingen sie die Treppen hoch zu zwei anderen Performerinnen. Eine Studierende saß im Baum und eine weitere hockte daneben. Die anderen setzten sich auf zwei Bänke. Die Performance ging weiter, sobald die Zuschauer_innen den Künstler_innen gefolgt waren und sich im öffentlichen Raum verteilt haben. Die Studierende, die auf dem Baum saß und Buchseiten aus dem Buch auf ihrem Schoss riss, startete die Performance. Die ausgerissenen Buchseiten wurden von einem Regenschirm, der am Ast hing, aufgefangen. Durch den Wind, der im Raum war, flogen ein paar dieser Buchseiten hinaus in die Hände der Zuschauer_innen. Die Seiten kamen aus einem "Sexwitze" Buch, welches die Betrachter_innen zum Schmunzeln und Verdutzen brachte. Man konnte nur den Wind und das Ausreißen der Buchseiten hören an diesem ruhigen Ort inmitten der Stadt von Flensburg.

Es folgte ein weiteres Geräusch. Die vierte Studierende rollte einen Schal rhythmisch auf den Boden immer wieder auf und schlug ihn wieder auf den Boden. Das Streifen, Ziehen und Reißen wurde zu einem rhythmischen Geräusch. Danach begann diese Performerin, weggeflogene Buchseiten einzusammeln und ordnete diese auf den Boden an. Die anderen zwei Studierenden nahmen Buchseiten vom Boden und lasen abwechselnd Wörter vor. Es ergab sich ein gemeinsamer Rhythmus in den Stimmen der Performerinnen.

Danach begaben sich drei der vier Studierenden nacheinander mit Stöcken und Stäben zu einem Bereich der dänischen Schule. Die Stöcke und Stäbe wurden benutzt, um Rhythmen und Geräusche auf den Weg zu erzeugen, damit die Betrachter_innen nahmen die Umwelt des Rummelgangs wahrnahmen. Der ausgewählte Bereich der nächsten Performance bestand aus verwilderten Pflanzen, Bäumen und einem Zaun mit einer Pforte. Die Performerin auf dem Baum blieb auf dem Baum sitzen und führt die Gruppenperformance in einer Einzelperformance weiter für vorbeilaufende Zuschauer_innen. Die anderen Künstlerinnen bewegten sich mit Wolle in dem eingezäunten Bereich. Die Schnüre erzeugten ein Muster und eine Dynamik voller Spannung. in dem die Performerinnen sich bewegen. Die Geschwindigkeit der Studierenden während des Spiels variierte von schnell und stark zu langsam und vorsichtig. Sobald die Studierenden nacheinander diesen Bereich durch die Pforte verlassen hatten, blieb das eindrucksvolle Gespann aus Schnüren zurück und die Performance endete an diesem Punkt.

In der zweiten Performance am 4. Juni 2022 stellten sich die vier Studierenden starr auf zwei Holzlatten in das Nordertor. Zwei Studierende blickten in Richtung Neustadt und die anderen in Richtung Norderstraße. In der Theaterperformance "Stadt-Träume" vom Open Space, geleitet von Folke Witten-Nierade, wurden Passant_innen befragt. Sie sollten ihre Wünsche und was ihnen an Flensburg fehlte, äußern. Einer der Wünsche war es, ‚dass die Mauer am Nordertor wegkommt‘. Die Performance von den Studierenden sollte zeigen, dass das Nordertor der einzige Durchgang zwischen Norderstraße und Neustadt ist. Wenn die Passant_innen nicht an ihnen vorbei möchten, müssen sie um die ganze Mauer herumlaufen.

Viele der Passant_innen waren irritiert von der Performance und liefen um die Maurer herum, um der Performance aus dem Weg zu gehen. Das Interessante bei dieser Performance war nicht, die Performerinnen zu beobachten, denn diese standen nur da, sondern die Gesellschaft. Wie diese mit ihnen umgingen, wie die Menschen mit ihnen redeten, irritiert, erstaunt oder verwundert waren. Es ist doch erstaunlich mit anzusehen, was nur eine kleine Veränderung bei den Menschen auslösen kann!

Im Anschluss zu dieser statischen Performance liefen die Künstlerinnen mit den Balken zu einem Platz am Rummelgang, wo eine aktive Performance stattfand. Einige der Zuschauer_innen folgten ihnen. Der gewählte Platz im Rummelgang war ein öffentlicher Platz mit einer Bank zum Verweilen. Doch dieser Platz wirkte durch viel Holz, Bauzäune und andere Baumaterialien ‚heruntergekommen‘. Für die Performance benutzten die Künstlerinnen diese Gegenstände und agierten mit ihnen. Die Studierenden performten mit sich selbst, zu zweit oder als Gruppe. Es entstand ein dynamisches Bild, dass von Bewegung, Kraft, Ruhe, Balance und Ausdauer geprägt war.

In der ersten Performance konnte man verschiedene Aspekte des performativen Spieles sehen, die im Seminar erlernt wurden, wie Kraft, Ausdauer, Rhythmus, Geräusche, Stimme und Bewegung. Außerdem ist dazu zu sagen, dass alle Gegenstände wie Stoffe, Blätter oder Bücher nicht mutmaßlich zerstört wurden, sondern mit zum performativen Spiel gehörten. Auch in der zweiten Performance wurden erlernte Elemente aus dem Seminar aufgegriffen wie Einzel- und Gruppenperformances. Durch Übungen während des Semesters hatten die Teilnehmenden des Seminars geübt, mit sich, der Umwelt und anderen Menschen in einer Performance zu interagieren.