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Pädagogik und Geschlecht als Gegenstand politischer Kämpfe: Zur Analyse rechter, antifeministischer und rassistischer Diskurse
Rechtspopulistische und (extrem) rechte Bewegungen besetzen zunehmend pädagogische und bildungspolitische Themen. Zum einen diffamieren sie emanzipatorische oder an Vielfalt ausgerichtete Pädagogiken. Im Schulterschluss mit anderen antifeministischen Bewegungen attackieren sie geschlechterpolitische Anliegen wie etwa Gender Mainstreaming oder eine geschlechtersensible Sprache als "Gender-Gaga". Eine Pädagogik, die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt aufgreift, und vor allem ihre Verankerung in schulischen Curricula, wird zudem als "Frühsexualisierung", "Umerziehung" und "Gefährdung des Kindeswohls" diskreditiert.
Zum anderen formulieren rechtspopulistische und (extrem) rechte Bewegungen in dieser spezifischen Bezugnahme auf geschlechterpolitische Themen auch eigene Ansätze etwa in einer "völkischen" Erziehung. Darin greifen sie rassistische und antisemitische Ideologien auf.
Austausch zwischen Gender Studies und Erziehungswissenschaften
Entsprechend sind im Feld der pädagogischen und bildungspolitischen Themen gegenwärtig sehr dynamische Entwicklungen zu beobachten. Diese Entwicklungen werden auch zunehmend Gegenstand von Forschung in verschiedenen Disziplinen. Das Institut für Erziehungswissenschaften der EUF hat daher eine Tagung zu diesem Thema durchgeführt. Deren Ziel: Ein Austausch zwischen erziehungswissenschaftlicher Forschung zu rechten und antidemokratischen Pädagogiken einerseits und Forschung zu (rechtem) Antifeminismus in den Gender Studies andererseits.
Anlayse der rechten Narrative
Die Narrative in den Ansätzen einer "völkischen" Erziehung nahm die erste Keynote Speakerin Prof. Dr. Meike Baader von der Universität Hildesheim in den Blick. Exemplarisch an zwei rechten pädagogischen Publikationen zeigte die Erziehungswissenschaftlerin auf, dass die Narrative von "Umerziehung", "Genderideologie", "Frühsexualisierung" und der "natürlichen Familie" in diesen Publikationen eine wichtige Rolle spielen. Dazu käme noch das völkische Narrativ des "Ethnopluralismus", dessen Vertreter eine kulturelle Homogenität von Staaten und Gesellschaften nach "Ethnien" anstrebten. Grundlage der Argumentation sei ein Verständnis des "Natürlichen", das der Ideologie der neuen Rechten zufolge durch progressive Kräfte "verdreht" würde.
Die Wissenschaftspolitik illiberaler Staaten
Die zweite Keynote hielt Prof. Dr. Andrea Pető, Professorin am Institut für Geschlechterforschung der Central European University (CEU). Deren Campus war bis 2019 in Budapest angesiedelt. Nach Anfeindungen durch die rechtspopulistische Fidesz-Regierung musste die CEU 2019 nach Wien umziehen. Auf dieses Ereignis nahmPető in ihrem Vortrag dreifach Bezug und schilderte das Verbot der Geschlechterforschung in Ungarn, den Angriff auf die akademische Freiheit und ihre persönliche Geschichte, in der sie Morddrohungen erhielt. Im Vortrag entwickelte sie einen neuen theoretischen Rahmen für das Verständnis der Wissenschaftspolitik illiberaler Staaten und möglicher Strategien.
Aufschlussreiche Analysen und breitgefächerte Kompetenzen
Insgesamt stieß das Tagungsthema auf große Resonanz: Rund 150 Wissenschaftler:innen und Studierende diskutierten in verschiedenen Panels die enge Verschränkung rechter Diskursproduktion mit Geschlechteraspekten. Das Fazit der Veranstalter:innen: "Das war mit Sicherheit eine Veranstaltung zu einem sehr besorgniserregenden Thema. Dennoch war es eine Freude zu sehen, wie sich ein konstruktiver internationaler und interdisziplinärer Austausch ergab, der auch ein Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis war. Darin hat sich gezeigt, auf wie vielen aufschlussreichen Analysen und breitgefächerten Kompetenzen wir in diesem gesellschaftlich relevanten Themengebiet bereits aufbauen können."