Laptop und Zeitung
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Offizielle Pressemitteilungen der Europa-Universität Flensburg (EUF)

„Besser als jede Doku, weil ich seine Gefühle spüren konnte“

Der Holocaust-Überlebende Ivar Buterfas-Frankenthal besucht die Europa-Universität Flensburg

Rund 200 Schülerinnen und Schüler aus Flensburg und Handewitt besuchten heute (2.6.) gemeinsam mit Studierenden und Lehrenden der Europa-Universität Flensburg (EUF) einen Vortrag des Holocaust-Überlebenden Ivar Buterfas-Frankenthal im Flensburger Audimax.

"Danke, dass Sie Ihre Erfahrungen teilen"

"Ich habe nicht Worte genug, um meine Dankbarkeit auszurücken, dass Sie bereit sind, Ihre Erfahrungen mit den nachgeborenen Generationen zu teilen," sagte Prof. Dr. Werner Reinhart, Präsident der EUF, zur Begrüßung. "Dieser Austausch, das Erinnern, ist besonders wichtig in schlechten Zeiten. Und die haben wir heute. Im Ukraine-Krieg hat es der abweichende, der differenzierte Blick schwer, der Hass auf Andere, die Schmähreden im Netz und politisch motivierte Gewalt nehmen zu. Und die Umfrage-Werte von Parteien, die Ausgrenzung propagieren und Ressentiments schüren, schießen in die Höhe."

"Sie sind der Treibstoff, der mir Kraft gibt"

Rund anderthalb Stunden verwob der mittlerweile neunzigjährige Ivar Buterfas-Frankenthal im Anschluss seine persönliche Lebensgeschichte mit Fakten über den Nationalsozialismus und dem Appell, die Verantwortung für die Demokratie ernst- und wahrzunehmen.

"Sie sind der Treibstoff, der mir immer wieder Kraft gibt, Sie, die Jugendlichen von heute, die eine Verantwortung dafür haben, diese Republik zu erhalten, die Ihre Urgroßväter nach dem Krieg aufgebaut haben". Das bedeute auch, so Buterfas, an der Wahlurne sein Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. "Gebt Leuten keine Chance, die in der Öffentlichkeit sagen, dass sie einen schwarzen Fußball-Verteidiger nicht als Nachbarn haben möchten. Wählt keine Rassisten, wenn Euch etwas an dieser Republik liegt, denn es ist das schönste Deutschland, das es je gegeben hat", betont er.

"Der Judenstern kostete 12 Reichsmark"

Ivar Buterfas-Frankenthal wurde 1933 als achtes Kind einer christlichen Mutter und eines jüdischen Vaters in Hamburg geboren. 1934 wird sein Vater, Jude und Kommunist, ins KZ Esterwege und später ins Lager Sachsenhausen eingewiesen. Ivar Buterfas muss den Judenstern tragen –"12 Reichsmark kostete der, ich weiß nicht, woher meine Mutter das Geld dafür hatte". Als Sechsjähriger wird er verletzt und gedemütigt. Halbwüchsige Schülerinnen und Schüler schlagen ihn, verletzten ihn mit brennenden Zigaretten, stellen ihn auf ein Eisengitter, unter dem sie Papier anzünden, um ihn zu verbrennen. Die Alpträume verfolgen ihn bis heute.

Die überwiegend jungen Zuhörer*innen im Audimax lauschen dieser Erzählung mit großen Augen.

Entzug der Staatsbürgerschaft

Ihm wird die Staatsbürgerschaft entzogen und er muss 20 Jahre darum kämpfen, sie wiederzuerlangen. Nachdrucke seines damaligen Fremdenpasses hat er dabei – auf ihnen ist nicht das Hakenkreuz, sondern der Reichsadler zu sehen. Ivars Buterfas-Frankenthals Erzählungen enden nicht mit dem Jahr 1945. Er erzählt auch, wie in Deutschland ehemaligen Nazis in einflussreiche Positionen verholfen wurde, dass etwa Hans Globke, der die Nürnberger Rassegesetze mitverfasst und kommentiert hat, nach dem Krieg als Privatsekretär Konrad Adenauers arbeitete. Er äußert Verständnis, dass die 68-er Generation dagegen aufbegehrt hat. Ivar Buterfas-Frankenthal schont sein Publikum nicht und erzählt von Massenerschießungen, Folterungen, KZ-Alltag.

Einzigartige Vortragsart

In einer ganz eigenen, durchaus humorvollen Vortragsart verbindet Ivar Buterfas-Frankenthal dabei die Erzählung über die Erlebnisse seiner eigenen Biographie mit den historischen Fakten und Rückschlüssen auf Aktuelles. Dieser Rückbezug von historischen Geschehnissen zu aktuellen Ereignissen sei eine Besonderheit von Ivar Buterfas-Frankenthal erzählt Nico Wich. Der heutige Grundschulreferendar hat Ende 2022 seine Masterarbeit an der EUF über Biographiearbeit in der Antisemitismusprävention geschrieben, dabei Ivar Buterfas-Frankenthal kennengelernt und ihn an die EUF eingeladen. "Er integriert sehr viele verschiedenen Perspektiven in seinen Vortrag und ist damit meines Wissens einzigartig", erklärt er.

Entsprechend gefragt ist Ivar Buterfas-Frankenthal: Rund 1600 Vorträge weltweit hat er gehalten und wurde dafür mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse, mit der Europäischen Menschenrechtsmedaille und mit dem Weltfriedenspreis ausgezeichnet.

Am Ende viele Fragen

"Die Zukunft steht Euch offen, Ihr müsst nur aufpassen, dass sich nie wieder braune Elemente erheben. Schrecklich, was sich 2020 bei dem Attentat in Hanau ereignet hat, bei dem neun Menschen starben, schrecklich, dass Walter Lübcke auf seiner Terrasse per Kopfschuss hingerichtet wurde, schrecklich der versuchte Massenmord an Juden in Halle – all das gilt es zu verhindern", appelliert Buterfas an seine Zuhörer*innen. Sie stellen ihm am Ende viele Fragen: Wie er das Kriegsende erlebt habe, ob er etwas in seinem Leben bereue, ob sich Menschen je bei ihm entschuldigt hätten.

"Besser als jede Doku"

Schüler*innen der zehnten Klasse sind am Ende des Vortrags ebenso berührt wie Studierende. Er habe wenig Lust gehabt zu kommen, erzählt ein Zehntklässler der Käthe-Lassen-Schule, aber am Ende habe er den Vortrag spannend gefunden – "weil ich mir das jetzt besser vorstellen kann und weil ich vieles nicht gewusst hatte". Ein anderer findet den Vortrag besser "als jede Doku, weil ich seine Gefühle gespürt habe."

Video des Vortrags

Die Bestellung der Broschüre "Wie fühlt sich antijüdische Diskriminierung an" von Nico Wich, ehemaliger Lehramtsstudent der Europa-Universität Flensburg sowie eines USB Sticks ist gegen eine Schutzgebühr 20,00 € zzgl. 3 € Versand unter verwaltung-TextEinschliesslichBindestricheBitteEntfernen-@buterfas.de möglich.