Willkommen zur Flensburger Ringvorlesung

Seit dem Sommersemester 2013 findet in jedem Semester die Ringvorlesung in Kooperation mit der Phänomenta und der Flensburger Volkshochschule im Vortragssaal der Phänomenta statt. Die Vortragenden aus verschiedenen Disziplinen präsentieren hier ihre selbstgewählten Themen. Ein jährlich wechselndes Oberthema stellt einen Bezug zwischen den Vorträgen her. Auf dieser Seite ist das aktuelle Programm mit den zugehörigen Zusammenfassungen und das Archiv der Ringvorlesung zu finden.

Ringvorlesung "geschmack-los"

Geschmacklosigkeit bezieht sich zwar eigentlich auf eine (fehlende) Sinneserfahrung, wird aber oft im übertragenen Sinne verwendet. Das, was als geschmacklos bezeichnet wird, hat daher meistens wenig mit fadem Essen oder Trinken zu tun. Wie Oscar Wilde treffend sagte: "Mode ist das, was man selbst trägt. Geschmacklos ist das, was andere tragen." Geschmack und Geschmacklosigkeit liegen somit im Auge der Wahrnehmenden und damit liegt nahe, dass in dieser Ringvorlesung Forschende aus Bereichen wie Kunst, Literatur, oder Musik zu Wort kommen werden.

Als geschmacklos wird aber auch abgelehnt, was gesellschaftlichen Normen oder Werten widerspricht. Folgerichtig entstehen Wörter wie Schokoschaumkuss oder es resultiert die Umbenennung von Bundeswehrkasernen, Schulen und Straßen. Auch derartige Fragestellungen werden von Forschenden aus ihrer disziplinären Perspektive thematisiert werden.

Das Übertragen der Geschmacklosigkeit lässt sich aber auch noch eine Stufe weiterführen: dann wäre gute Wissenschaft das, was ich tue – und geschmacklose, also schlechte Wissenschaft das, was einige andere tun. Anders und angemessener formuliert sind dies Fragen, denen sich diese Ringvorlesung ebenfalls widmen möchte: Wo endet gute Wissenschaft? Und wie wird entschieden, was nicht mehr Gegenstand der wissenschaftlichen Analyse, oder angemessene Methode der wissenschaftlichen Disziplin ist? Dürfen Astronom*innen sich auch astrologisch betätigen? Dürfen Literaturwissenschaftler*innen zu Fan Fiction arbeiten? Wie fiktiv dürfen die Darstellungen von Geschichtswissenschafter*innen sein? Dürfen Wissenschaftler*innen Chat GPT bei der Abfassung von Texten nutzen?

Auch derartige Fragen nach den Grenzen der Wissenschaftlichkeit und deren Festlegung werden Thema einiger Beiträge sein.

Ort & Zeit

Jeweils montags um 18.00 Uhr in der Phänomenta Flensburg.

Termine & Vorträge

25.03. Assoc. Prof. (SDU) Dr. Tobias Nanz
Institut für Germanistik

Geschmacklose Politik: Zur Strategie der Grenzüberschreitungen des Populismus

Was ist geschmacklose Politik? Es ist eine Politik, die gegen die Regeln der Etikette und des Protokolls verstößt, eine Politik, die stetig an der Grenzverschiebung zwischen dem Sagbaren und Unsagbaren arbeitet, Debatten mit Beleidigungen und Polarisierungen aufheizt und so insgesamt den Regelbruch und die Normalisierung untragbarer Zustände beabsichtigt. Der Vortrag untersucht diese Form der geschmacklosen Politik mit Ausführungen zur Geschichte des Protokolls und der Etikette und diskutiert, weshalb gerade populistische Politik auf Polarisierung, Empörung und Grenzüberschreitung setzt

08.04. Dr. Inken Carstensen-Egwuom
Abteilung Integrative Geographie

Landschaften des Zuckergeschmacks

Der Geschmack von Kolonialwaren hat globale Verflechtungen in den vergangenen Jahrhunderten geprägt. Zu diesen Waren gehören Muskatnuss, Kakao, Kaffee, Tee und wie im Beispiel des Vortrags: Zucker. Zucker hat sich über die vergangenen Jahrhunderte vom Luxusgut zum Massenprodukt entwickelt, in großen Mengen beispielsweise mit den bitteren Noten der Kolonialwaren Tee und Kaffee kombiniert. Produktion, Transport, Verarbeitung und Konsum von Zuckerrohr in unterschiedlichen Varianten spielte über Jahrhunderte auch für die Stadt Flensburg eine wichtige Rolle. Der Vortrag nimmt Flensburg zum Ausgangsort und bewegt sich zu Landschaften und sozialen Realitäten von Zuckerrohr-Plantagenökonomien, geprägt von Monokulturen, von Versklavung, Zwangsarbeit, Widerstand, Rebellionen und Überlebenskämpfen – und zu aktuellen kritischen Auseinandersetzungen damit. Die rahmende Frage lautet: Welche Überlegungen lassen sich aus diesen globalen Prozessen für aktuelle planetarische Krisen und unseren Umgang damit ableiten?

22.04. Dr. Claudia Plinz
Institut für Sachunterricht

Geschmack - kommt selten allein

Das Essenlernen beginnt vom ersten Lebenstag an über Duft, Geruch, Geschmack und Konsistenzen. Aber auch die Emotionen bei der Aufnahme von Speisen sind prägend, und Vorlieben und Abneigungen bilden sich heraus. Auf der menschlichen Zunge gibt es über 5.000 Geschmacksknospen. Jede dieser Knospen enthält 50 bis über 100 Sinneszellen mit spezifischen Rezeptoren, an denen die Moleküle aus der Nahrung andocken. Dabei sind in jeder Geschmacksknospe alle Geschmacksarten vertreten – süß, sauer, salzig, bitter und umami. Warum sind Vorlieben und Abneigungen von Mensch zu Mensch so unterschiedlich?

Historisch betrachtet waren die Essgewohnheiten vom Einkommen und den Umweltbedingungen (z.B. Ernte) beeinflusst. Gegenwärtige Entwicklungen zeigen eine Tendenz des Ausdrucks des Lebensstils über die Ernährung. Der Ess-Stil unterliegt stark den jeweils gängigen Moden und Trends und verändert sich durch individuelle Lebensgeschichten.  Die Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation des Einzelnen steht in engster Verbindung zur (alimentären) Geschmacksentwicklung und damit verbundener biografischer Lebensgestaltung: Jeder Mensch hat seine eigene Essgeschichte und individuelle Geschmacksentwicklung, die Teil seiner Lebensgeschichte ist.

06.05. Dr. Christine Börtitz
Institut für Biologie und ihre Didaktik
Biologische Geschmacklosigkeiten im Wandel der Zeit. Was unser Geschmackssinn mit Leichen und Aliens zu tun hat
27.05. Prof. Dr. Marie-Christine Vierbuchen
Abteilung Sonderpädagogik des Lernens
Geschmack(lose) Bildung: Würze gegen Schulabsentismus
10.06. Prof. Dr. Marcel Smolka
Abteilung Internationale und Institutionelle Ökonomik
Die moderne Ökonomik: Eine trost- und geschmacklose Wissenschaft?

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