Und wie geht es lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen in Deutschland?

Bis Anfang der 90er-Jahre, wenngleich 1969 und 1973 in wesentlichen Punkten abgeschwächt, galt § 175 StGB, der sexuelle Handlungen - zwischen Männern - unter Strafe stellte. Zwar wurde § 175 StGB  1994 endgültig abgeschafft. Dass seit 2017 die "Ehe für alle" möglich ist, bedeutet nicht notwendigerweise breite Akzeptanz. Denn auch weiterhin werden homo- oder bisexuelle Menschen, wie Studien zeigen, vielfach als abweichend von der Norm der Heterosexualität ("Heteronormativität") wahrgenommen. Aus Angst vor Diskriminierung, Herabsetzung oder Hassrede vermeiden nicht nur viele lesbische, schwule und bisexuelle Menschen, sondern ebenso viele TQIA+ Personen, sich öffentlich zu erkennen zu geben: 

45% der Befragten vermeiden es oft oder immer, mit ihrem Partner*/ ihrer Partnerin* Händchen zu halten (EU-Durchschnitt: 61%). Physische bzw. sexualisierte Angriffe ereignen sich häufiger als anderswo auf der Straße; für LGBTQIA+-Personen ist der öffentliche Raum ein Raum der Unsicherheit. Und die Täter: Mit bis zu 90% überwiegen bei weitem Männer. (Quelle: https://www.lsvd.de/de/ct/2391-lsbti-in-deutschland-erfahrungen-mit-diskriminierung-und-gewalt) 

Transgeschlechtliche Personen müssen sich nach dem seit 1980 unverändert geltenden Transsexuellengesetz (TSG) einem von vielen Betroffenen als entwürdigend empfundenen Verfahren unterziehen, in dem Gerichte auf Basis zweier psychologischer Gutachten über eine Personenstandsänderung entscheiden. Erst Ende Mai 2021 scheiterte ein Reformversuch, der Betroffenen mehr Selbstbestimmung einräumen sollte.
Der Bundesverband Trans* (BVT*) setzt sich seit langem für eine umfassende Reform des Transsexuellengesetzes bis hin zur Abschaffung ein und vertritt die Auffassung, dass das bestehende TSG nicht nur völlig veraltet und im Vergleich mit anderen vergleichbaren europäischen Gesetzen weit hinterher bleibt, sondern vor allem auch gegen die Grundrechte verstößt und deshalb durch moderne Regelungen ersetzt werden muss, die sowohl den wissenschaftlichen Erkenntnissen, dem Grundgesetz als auch den Bedürfnissen der Menschen Rechnung tragen. Denn bereits mehrfach hat das Bundesverfassungsgericht Bestandteile des Transsexuellengesetzes aus den 80er Jahren für verfassungswidrig erklärt, so dass sein Kern längst keine Gültigkeit mehr hat. Die übrig gebliebenen Rechtsvorschriften des TSG stellen nunmehr einen unnötig teuren und demütigenden Formalismus dar, der dem Anspruch, die Belange von trans*Personen zu regeln, nicht mehr gerecht wird. (Quelle: https://www.bundesverband-trans.de/tsg-reform/)

2017 erkannte das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich an, dass es "Varianten der Geschlechtsentwicklung" gibt, und gestand intergeschlechtlichen Personen das Recht auf einen positiven Geschlechtseintrag im Personenstandsregister zu. Einer Studie der Humboldt-Universität zufolge liegt die Zahl "kosmetischer Eingriffe" an intersexuellen Kindern allerdings stabil bei rund 1700 Operationen pro Jahr, weshalb der Bundestag Ende März 2021 ein Verbot sogenannter geschlechtsangleichender Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen beschloss. Das neue Gesetz ist ein Meilenstein für die Inter-Community, weil es Klarheit schafft - und weil viele heute erwachsene Betroffene bis heute unter den Spätfolgen leiden. Jahrzehntelang waren solche OPs an Babys und Kleinkindern üblich. Sie basierten auf der Vorstellung, dass Kinder mit einem eindeutig wirkenden Geschlecht ein leichteres Leben führen könnten. Tatsächlich sorgten solche medizinisch unnötigen Eingriffe häufig für großes Leid, da sie ohne Zustimmung der Behandelten erfolgten und schwere gesundheitliche Folgen nach sich ziehen konnten. Die Betroffenen selbst erfuhren in vielen Fällen erst später im Leben von der Behandlung. (Quelle: https://www.sueddeutsche.de/panorama/kinder-intergeschlechtlich-gesetz-1.5287608) 

Die Bezeichnung nicht-binär beschreibt eine große Bandbreite unterschiedlicher Weisen, das eigene Geschlecht zu erleben: Viele nicht-binäre Personen verorten ihre Geschlechtsidentität zwischen männlich und weiblich, d. h. sie sind weder ganz weiblich noch ganz männlich bzw. weder immer weiblich noch immer männlich. Manche haben eine nicht-binäre Identität, die sich fließend zwischen männlich und weiblich bewegt oder wechselt. Wieder andere haben ein nicht-binäres Geschlecht, das völlig unabhängig von den Konzepten "Mann" und "Frau" ist. Dazu kann auch gehören, kein Geschlecht bzw. eine neutrale Geschlechtsidentität zu haben. All diese Personen haben gemeinsam, dass ihr Geschlecht nicht der binären Geschlechterordnung folgt.
Menschen, auf die obige Beschreibungen zutreffen, bezeichnen sich je nach Selbstverständnis nicht zwingend als "nicht-binär". Geschlechtskonzepte, die nicht der binären Mann-Frau-Ordnung folgen, variieren zudem kulturell und geografisch erheblich und können nicht unter die westlich geprägte Bezeichnung "nicht-binär" subsumiert werden.
Genau wie Menschen mit binärem Geschlecht können nicht-binäre Menschen jegliche soziosexuelle Orientierung, jeglichen Geschlechtsausdruck und jegliches Aussehen haben. Ein Wunsch nach Körperveränderungen oder einem uneindeutigen Geschlechtsausdruck kann vorliegen, muss es aber nicht. (Quelle: http://www.gleichstellung.tu-dortmund.de/cms/de/Themen/klargestellt/006-nicht-binaer.html) 

Nicht-binäre Personen wird bislang versagt, ihren Personenstand gemäß ihrer Selbstwahrnehmung zu wählen - mit nicht unerheblichen Folgen und Einschränkungen der Entfaltungs- und Teilhabemöglichkeiten für diese Menschen. 

Queere Jugendliche

Nix Verbotenes, und doch ... 

... erleben viele Jugendliche Diskriminierungen oder Herabsetzung, wenn sie öffentlich machen, nicht der heterosexuellen Norm zu entsprechen oder sich nicht dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig zu fühlen. 

Eine im Auftrag des Deutschen Jugendinstituts 2017 veröffentlichte Studie konnte zeigen, dass ein Outing im Alltag immer noch zu teils abweisenden bis feindseligen Reaktionen führt. Rund 11 Prozent der 14- bis 29-Jährigen beschreiben sich hierzulande als LGBTQIA+. Ihr Alltag ist geprägt vom Umgang mit erlebter oder befürchteter Diskriminierung und von Ängsten vor einem Coming-out. Bei jedem Wechsel an eine neue Bildungseinrichtung, Arbeitsstelle oder einen Verein ist immer wieder über ein Coming-out zu entscheiden. Trans* Jugendliche müssen zudem für sich klären, ob sie sich auf den Weg zu einer rechtlichen bzw. medizinischen Geschlechtsanpassung machen. 

Acht von zehn queeren Jugendlichen berichten von Diskriminierungen. Am häufigsten sind herabsetzende Beschimpfungen und  Beleidigungen, gefolgt von Überbewertung bzw. Abwertung der sexuellen Orientierung bzw. Identität. Auch Zwangsoutings sind keineswegs selten - und 10 Prozent der betroffenen Jugendlichen mussten bereits körperliche Gewalt erfahren. 

Orte der Demütigung: Straße - Sport - Schule 

Diskriminierende oder herabsetzende Erfahrungen machen Jugendliche am häufigsten in der Öffentlichkeit, etwa im Bus, auf der Straße, im Schwimmbad oder Supermarkt. Mehr als ein Drittel der Befragten berichtet explizit von sexuellen Belästigungen und Beleidigungen in der Öffentlichkeit. Doch auch in der Familie, in Schule, Ausbildung und Beruf sowie im Freundeskreis macht fast die Hälfte der LGBTQIA+ Jugendlichen negative Erfahrungen. In der Schule und am Arbeitsplatz sind sie teils Spott, Beleidigungen und Beschimpfungen ausgesetzt, teils werden sie ausgegrenzt oder sogar körperlich angegriffen. Religiöse Gemeinden, soziale Netzwerke und Sportvereinen sind keine Orte für ein Coming Out: Überdurchschnittlich viele LSBT*Q-Jugendliche nehmen zum Beispiel nicht am Vereinssport teil. (Quelle: https://www.dji.de/themen/jugend/queere-jugendliche-erleben-diskriminierung.html) 

Die Homophobie der anderen kann krank machen

Einem größeren Teil der Jugendlichen gelingt es, die negativen Erfahrungen zu verarbeiten. Nicht selten kommt es jedoch zu Erkrankungen wie etwa Depressionen. Und: LGBTQIA+-Jugendliche weisen im Vergleich zu heterosexuellen Teenagern ein deutlich höheres Risiko für suizidales Verhalten auf . "Das heisst nicht, dass diese Jugendlichen per se problembelastet und suizidgefährdet sind", sagt Andreas Pfister von der Hochschule Luzern. "Denn suizidales Verhalten ist auch bei schwulen und lesbischen Jugendlichen keineswegs an der Tagesordnung und betrifft zum Glück nur eine Minderheit innerhalb der Community." Die erhöhte Zahl an Suizidversuchen hänge nicht direkt mit der sexuellen Orientierung zusammen, sondern komme über indirekte Faktoren wie Homophobie, Schikanen in der Schule oder fehlende Akzeptanz in der Familie zustande. /Quelle: https://www.spectra-online.ch/de/spectra/news/Mehr%20Wissen%20über%20Suizidversuche%20von%20LGBT-Jugendlichen-868-29.html)