Tinder: Profiling the self

Die Logik von digitalisierten Annäherungspraktiken & Beziehungsformationen:
Subjektive und gesellschaftliche Bedeutung des mobilen Online-Datings.
Forschungsprojekt zu Beziehungsformationen und Beziehungsanbahnung im Kontext von digitaler Partnersuche.

Mobile Dating Applikationen, wie beispielsweise Tinder, OKCupid und Bumble, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Die Nutzung solcher Apps gehört inzwischen für zahlreiche Menschen zur täglichen Lebenspraxis: mehr als 56 Millionen Nutzer/innen weltweit sind allein auf Tinder aktiv, über 3 Millionen davon in Deutschland.

Kurzübersicht

Stichworte
Mobiles Online-Dating, Tinder, Beziehungsformationen, Dating, Liebe in der Digitalisierung, Selbstpräsentation, Dating Applikation, Beschleunigung, Ökonomisierung der Liebe, Identität
Laufzeit
11.09.2019 - laufend
Institution der EUF
Abteilung Psychologie

Beschreibung

Annäherungspraxen und Beziehungsfindung unter dem Einfluss von mobilem Online-Dating

Mobile Dating Applikationen, wie beispielsweise Tinder und Bumble, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Die Nutzung solcher Apps gehört inzwischen für zahlreiche Menschen zur täglichen Lebenspraxis.

Das Spezifische an mobilem Online-Dating ist, dass Nutzer/innen auf der Basis eher reduzierter Angaben zur eigenen Person nach einem Partner/einer Partnerin im direkten Umkreis suchen können. Die benötigten Angaben belaufen sich in der Regel auf mindestens ein Bild, optional einen kurzen Profiltext, das Alter, die sexuelle Orientierung und die maximal gewünschte Entfernung des möglichen Partners, sowie deren Alter und Geschlecht. Für diese Suche erhalten Nutzer/innen über die App resp. deren Algorithmus entsprechende Vorschläge. Besteht gegenseitiges Interesse, und nur dann, kann ein erster Kontakt als Chat aufgenommen werden. Damit ist eine solche Partnersuche niedrigschwelliger als traditionelle Partnervermittlungen, die z.B. ausführliche psychologische Profile anlegen und auf Passung abgleichen.

Beim mobilen Online-Dating zeigen sich spezifische Charakteristika, die an generelle aktuelle gesellschaftliche Tendenzen anschließen, wie die soziale Beschleunigung, eine omnipräsente Marktlogik, die bis in das Private hineinreicht, und die Liberalisierung des Selbst. Da diese digitalen Praktiken eher selten im digitalen Raum verbleiben, stellt sich die Frage, wie diese Annäherungspraktiken in die analoge Lebenswelt der Nutzer/innen hineinwirken und das Beziehungshandeln (Vorstellungen und Gestaltung von romantischer Liebe und Beziehungsformationen) und die Subjektivität (z.B. Selbstverständnis, Selbstwertgefühl und psychisches, sowie physisches Wohlbefinden) prägen und verändern. Diese Wirk- und Veränderungsprozesse auf subjektiver und gesellschaftlicher Ebene werden im Projekt aus sozialpsychologischer, entwicklungspsychologischer und soziologischer Perspektive mit verschiedenen Datenmaterialen und Methoden analysiert und eine integrative Theorie zu Beziehungsanbahnung in der Digitalisierung entwickelt.

Bisherige Publikationen

Bildanalysen

Es wurden bisher 548 Profilbilder aus zwei Erhebungswellen in 2017 und 2020 von Nutzer/innen zwischen 25 und 34 Jahren mit einer rekonstruktiven seriellen Bildanalyse untersucht. Dabei zeigte sich, dass sich trotz der potenziell unendlich vielfältigen Möglichkeiten der Selbstpräsentation viele Darstellungen ähneln und einer überschaubaren Anzahl von acht "Typen" zuordnen lassen. Gegenwärtig erfolgen die Feinanalysen ausgewählter Bilder, einerseits solcher, die das Sample repräsentieren (also häufig vorkommen) und andererseits jener, die selten und dadurch besonders sind.

Die Publikation finden Sie unter: Profiling the Self in Mobile Online-Dating Apps: a Serial Picture Analysis (link unten).

Interviews

Es wurden 75 Interviews zur Tindernutzung, Motiven und subjektivem Erleben der Nutzung sowie habituellen Nutzungsgewohnheiten geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet, sowie die Tinder Motive Scale (Timmermanns & DeCaluwe) mit n=2651 repliziert und um demografische Faktoren erweitert.

Die Ergebnisse finden Sie unter der Publikation The More we Tinder. Subjects, Selves & Society (link unten).

Es wurden 25 Interviews zum Phänomen der Tindererschöpfung erhoben, die Publikation "The negative circuit of mobile-online dating: Reconstructing Tinder fatigue, and the mechanisms of Instagram dating as a coping strategy" befindet sich in Revision beim Journal Cyberpsychology.

Zudem befindet sich das Buch "Die Psychologie des Online-Datings" bei Psychosozial in Vorbereitung. Darin finden sich umfangreiche Datensätze und eine umfassende empirische Auseinandersetzung mit dem Phänomen von mobilem Online-Dating und digitalen Annäherungspraxen, u.a.:

●           Bodymaps mit speaking out loud Interviews zum körperlichen Empfinden beim mobilen Online-Dating, wobei es um Emotionen, aber auch physische Reaktionen geht.

●           Gruppendiskussionen zur Selbstdarstellung und zu Nutzungsgewohnheiten zur Erkundung von sozialen Rollen und Positionen, sowie Normen und Orientierungsrahmen entlang verschiedener Alterskohorten.

●           Feinanalysen von Bildern zur Rekonstruktion der subjektiven Darstellungslogik, sowie zur Untersuchung von Milieu-, Alters-, & Geschlechtsunterschieden, sowie zur Untersuchung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von sexuellen Überzeugungen und fluider Sexualität.

●           Narrative und autobiografische Daten zum Erleben von digital initiierten und analog initiierten Dates im Vergleich.

●           Survey (n= 590) zum Zusammenhang von Fear of Missing out und Tindernutzung.

●           Vergleich der digitaler Architektur verschiedener Plattformen: Tinder und Bumble

Aktuelle Publikationen:

Degen, J.L., Kleeberg-Niepage, A. Profiling the Self in Mobile Online Dating Apps: a Serial Picture Analysis. Hu Arenas (2021). https://doi.org/10.1007/s42087-021-00195-1

Degen, J., Kleeberg-Niepage, A. The More We Tinder: Subjects, Selves and Society. Hu Arenas (2020). https://doi.org/10.1007/s42087-020-00132-8

Degen, J.L. (2021). > 500 Entscheidungen am Tag (Online-)Dating zwischen transzendenter Hoffnung, programmatischer Enttäuschung und bedingter Verbindlichkeit. Kursbuch Online Nr. 207.

Populärwissenschaftliche Fachartikel & Presseberichte finden Sie unter dem Reiter: Presse

https://www.uni-flensburg.de/psychologie/forschungpresse/presseaktuelle-publikationen/#unfold-c98709

Kontakt Projektleitung:

Dr. Johanna Degen, johanna.degen-TextEinschliesslichBindestricheBitteEntfernen-@uni-flensburg.de

Prof. Dr. Andrea Kleeberg-Niepage

Prof. em. Dr. Jo Reichertz

Verantwortlich